Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Einsatz von Aushilfskräften. Beitragspflicht des Arbeitgebers zur Kranken- und Rentenversicherung. auch bei Festanstellungen keine Verpflichtung eines Arbeitnehmers, jederzeit auf Abruf für den Arbeitgeber tätig werden zu müssen. Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen des Beitragseinzugs
Leitsatz (amtlich)
War der Geschäftsbetrieb des Arbeitgebers im Prüfzeitraum fortlaufend systematisch und strukturell darauf angelegt, auf die Arbeitskraft von Aushilfskräften im Sinne eines Arbeitskräftepools zurückzugreifen, dann beinhaltet dies zugleich im Sinne einer tatsächlichen Vermutung die Annahme, dass der Einsatz der Aushilfskräfte von vornherein auf ständige Wiederholung gerichtet war und ihre Tätigkeit über mehrere Jahre hinweg ausgeübt werden sollte.
Orientierungssatz
1. Auch Festanstellungen sehen regelmäßig keine Verpflichtung eines Arbeitnehmers und erst recht nicht eines nur in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmers vor, jederzeit auf Abruf für den Arbeitgeber tätig werden zu müssen.
2. Die zur Betriebsprüfung nach § 28p SGB 4 berufenen Sozialleistungsträger können ihrer Feststellungslast ("Beweislast") hinsichtlich der für die Versicherungspflicht notwendigen Tatsachen nur genügen, wenn der Arbeitgeber seinen für den Beitragseinzug maßgebenden Mitwirkungspflichten nachgekommen ist (vgl BSG vom 17.12.1985 - 12 RK 30/83 = BSGE 59, 235 = SozR 2200 § 1399 Nr 16).
Normenkette
BeitrVV § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 9, Abs. 2 Nr. 1; SGB IV § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Nrn. 1-2, § 28f Abs. 2, § 28p; SGB V §§ 7, 249b; SGB VI § 5 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3-4, § 172 Abs. 3
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 7. Dezember 2015 geändert.
Der Bescheid der Beklagten vom 26. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2007 wird aufgehoben, soweit
a) 141,73 € aufgrund der Tätigkeit von AO. im Zeitraum April bis Juni 2001
b) 107,80 € aufgrund der Tätigkeit von “DE.„ (richtig: BW.) BX. im Zeitraum Januar bis Februar 2003
festgesetzt worden sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der nicht erstattungsfähigen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH, wendet sich gegen einen auf der Grundlage einer nach § 28p SGB IV durchgeführten Betriebsprüfung erlassenen Bescheid der Beklagten vom 26. April 2006, mit dem diese die Klägerin zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen im Prüfzeitraum Januar 2000 bis Dezember 2004 in einer Gesamthöhe von 97.501,44 € (einschließlich 241,50 € Säumniszuschläge) herangezogen worden ist, wobei im vorliegenden Verfahren nur die - einen Teilbetrag von 69.567,33 € (vgl. die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2015, Bl. 218 GA, vorgelegte Aufstellung) betreffende - Festsetzung von Beiträgen bzw. sog. Beitragsanteilen nach §§ 172 Abs. 3 SGB VI, 249b SGB V im Streit steht. Diese Beiträge bzw. sog. Beitragsanteile nach §§ 172 Abs. 3 SGB VI, 249b SGB V hat die Beklagte aufgrund der im Prüfzeitraum (wobei im Ergebnis entsprechende Beiträge nur für solche in den Jahren 2000 bis 2003 wahrgenommene Tätigkeiten geltend gemacht werden) ausgeübten Tätigkeit der zu 14. bis 62 beigeladenen Mitarbeiter(innen) (bzw. der Rechtsvorgänger der nach ihrem Tod nunmehr beigeladenen Rechtsnachfolger) festgesetzt.
Die Beigeladenen zu 1. bis 13. und 64. bis 67. sind als Einzugsstellen bzw. als Fremdversicherungsträger zum vorliegenden Verfahren beigeladen worden.
Die Klägerin wirbt damit, dass sie in einem speziellen Bereich des Transportgewerbes eine für den europäischen Bereich führende Position innehabe (vgl. den Internetauftritt der Klägerin DF.). Sie habe inzwischen 200 Mitarbeiter und Auszubildende, 120 ziehende Einheiten und 200 Trailer. Von der Zentrale in DG. bei DH. aus leite die zweite und dritte Generation gemeinsam das Unternehmen mit einer Reihe von Niederlassungen und Stützpunkten im In- und Ausland (DI.).
Den Großteil der Mitarbeiter der Klägerin stellen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte dar. Im Prüfzeitraum verfügte die Klägerin nach eigenen Angaben (vgl. die erstinstanzliche mündliche Verhandlung) über etwa 150 festangestellte Beschäftigte. Deren Einsatz wird vom vorliegenden Rechtsstreit nicht erfasst.
Die Klägerin sieht sich aber nach eigenen Angaben seit Jahren nicht in der Lage, ihren gesamten Arbeitskräftebedarf mit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen abzudecken. Neben ihren festangestellten Mitarbeitern verfügt sie daher über einen Pool sog. Aushilfskräfte, die regelmäßig zur vollständigen Abdeckung des Arbeitskräftebedarfs mit hinzugezogen werden. Gerade in den Jahren 2000 bis 2004 habe aufgrund des damaligen starken betrieblichen Wachstums ein erhöhter Personalbedarf geherrscht (vgl. ebenfalls ihre Angaben in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung).
Nach Einschätzung der Klägeri...