Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Pflegegeld gem § 44 SGB 7. erheblicher Pflegebedarf. Anspruchsübergang auf Sonderrechtsnachfolger. Bescheiderteilung nach Tod des Versicherten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erheblicher Pflegebedarf gemäß § 44 Abs 1 SGB 7 kann dann vorliegen, wenn der Versicherte bei mindestens zwei der Verrichtungen des § 14 Abs 4 Nrn 1 bis 3 SGB 11 täglich der Hilfe bedarf, deren zeitlicher Umfang nicht nur geringfügig ist.

2. Der Anspruch auf Pflegegeld der Gesetzlichen Unfallversicherung geht auch dann in vollem Umfang auf einen Sonderrechtsnachfolger über, wenn der Versicherte vor der Bescheiderteilung verstorben ist (entgegen SG Hamburg vom 30.9.2002 - S 36 U 273/99 - juris).

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 29. März 2010 aufgehoben.

Der Bescheid vom 14. Juli 2004 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 3. Mai 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 7. Juni 2006 wird abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, für die Zeit vom 1. November 2003 bis zum 23. Juli 2004 Pflegegeld für die Versicherte I.J. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu zahlen.

Die Kosten der Klägerin und des früheren Klägers K.J. aus beiden Rechtszügen sind von der Beklagten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Pflegegeld für die am 23. Juli 2004 verstorbene Versicherte I.J. (Versicherte).

Die Klägerin ist Tochter und Alleinerbin des Ehemanns der Versicherten, K.L.. Die 1931 geborene Versicherte, 1951 bis 1954 in einer Asbestweberei beschäftigt, war spätestens 1995 an einer Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) erkrankt. Nachdem die Beklagte durch ein Schreiben des Ehemanns vom September 2001 hiervon erfahren hatte, erkannte sie die Erkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr 4103 der Anl 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) an und gewährte zunächst ab 14. September 2001 eine Verletztenrente in Höhe von 30 vH der Vollrente.

Mit Schreiben vom 6. November 2003 teilte der Ehemann mit, nach Abschluss einer stationären Behandlung im Krankenhaus St. Elisabeth-Stift in M. sei zZ eine ständige familiäre Pflege seiner Frau notwendig. Das Krankenhaus hatte ua eine Herzerkrankung in Gestalt eines bradyarrhythmischen Vorhofflatterns und eines Cor pulmonale festgestellt (Bericht vom 21. Oktober 2003). Ein Bescheid über die Gewährung von Pflegeleistungen wurde zunächst nicht erteilt, nachdem der zuständige Berufshelfer nach einem Besuch bei der Versicherten am 9. Dezember 2003 zur Einschätzung gelangt war, der eigentliche Hilfebedarf sei in der Hauswirtschaft angesiedelt. Ein außerdem gestellter Antrag auf Rentenerhöhung wurde zunächst mit Bescheid vom 5. Februar 2004 abgelehnt, wobei zur Begründung ua darauf hingewiesen wurde, dass die bei der Versicherten bestehende Herzerkrankung “unfallfremd„ sei. Hiergegen legte die Versicherte Widerspruch ein.

Während die Pflegekasse der Techniker Krankenkasse - auf der Grundlage eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 17. Juni 2004 - ab 4. März 2004 Pflegegeld nach der Pflegestufe I gewährte, lehnte die Beklagte die Gewährung von Pflegeleistungen schließlich mit Bescheid vom 14. Juli 2004 ab, weil zum Besuchszeitpunkt des Berufshelfers im Dezember 2003 Pflegebedürftigkeit im Sinne von § 44 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) nicht vorgelegen habe und eine möglicherweise nachträglich eingetretene Pflegebedürftigkeit nicht durch die Folgen der anerkannten BK wesentlich verursacht sei. Nach dem Tod der Versicherten legte ihr Ehemann als Rechtsnachfolger am 4. August 2004 Widerspruch hiergegen ein.

Ua zur Klärung der Rentenhöhe holte die Beklagte ein Gutachten des Arztes für Arbeits- und Innere Medizin Univ.-Prof. Dr. N. (vom 9. September 2004) ein. Dieser kam zum Ergebnis, dass die dekompensierte Herzinsuffizienz bei chronischem Cor pulmonale auf dem Boden restriktiv-obstruktiver Ventilationsstörungen Folge der anerkannten BK sei. Die durch die Asbestose und ihre Folgeerkrankungen verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) habe ab November 1995 20 vH, ab Oktober 2001 40 vH, ab Oktober 2003 60 vH und ab Februar 2004 80 vH betragen. Auch der Tod der Versicherten sei Folge der BK. Die Beklagte setzte die Höhe der Verletztenrente daraufhin mit Bescheid vom 15. November 2004 neu fest (ab 1. Januar 1999, gestaffelt iHv 20 bis 80 vH der Vollrente) und gewährte Hinterbliebenenleistungen. Dem Widerspruch gegen die Ablehnung von Pflegeleistungen half sie mit Bescheid vom 3. Mai 2006 insoweit ab, als sie für die Zeit vom 11. Februar 2004 bis 23. Juli 2004 Pflegegeld in Mindesthöhe (295,-- Euro) gewährte. Da zu Lebzeiten der Berechtigten keine Feststellung erfolgt sei, bestehe für den Ehemann als Sonderrechtsnachfolger nur Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Rechtsanspruchsleistung. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2006 zurück.

Hiergegen hat der Ehemann der ...

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