Entscheidungsstichwort (Thema)

Arzneimittel. Fertigarzneimittel. Rezepturarzneimittel. Recancostat. Recancostat comp.. Recancostat Kapseln. arzneimittelrechtliche Zulassung. Verkehrsfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

  • Das Präparat Recancostat comp. ist ein Fertigarzneimittel.
  • Die Behandlung mit dem Präparat Recancostat comp. als neue Behandlungsmethode entspricht nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V.
  • Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht verpflichtet, den Versicherten das Präparat Recancostat comp. zu gewähren.
 

Normenkette

SGB V § 2 Abs. 1 S. 3, § 12 Abs. 1, § 27 Abs. 1 S. 1; AMG § 4 Abs. 1, § 21 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Osnabrück (Gerichtsbescheid vom 30.01.2001; Aktenzeichen S 3 KR 97/97)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Im Streit ist die Kostenerstattung für das Präparat Recancostat comp. in Höhe von 7.754,93 DM (3.965,03. €).

Die am 16. April 1993 geborene und am 27. März 2000 verstorbene Klägerin E.… befand sich Anfang 1996 in stationärer Behandlung in der Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde – Pädiatrische Hämatologie/Onkologie – der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Dort wurde die Diagnose Neuroblastom Stadium IV gestellt. Die ambulant behandelnde Ärztin Dr F.… verordnete unter dem 2. Februar 1996 erstmals “Recancostat comp. 2 X 100 kps”. Im Folgenden verordnete auch der Facharzt für Innere Medizin Dr G.… Recancostat comp.

Unter Vorlage des Entlassungsberichtes sowie der Verordnungen des Facharztes für Innere Medizin Dr G.… und der Ärztin Dr F.… beantragten die Eltern der Klägerin im Februar 1996 die Kostenübernahme für das Medikament Recancostat comp. U.a. legten sie die Produktbeschreibung für Recancostat comp. vor. Die Versicherte wurde nach Angaben der Eltern in therapiefreien Intervallen der Chemotherapie mit Recancostat comp. behandelt. Nach der vorgelegten Produktinformation beinhalte das Arzneimittel reduziertes Glutathion, Anthocyane und L-Cystein. Dabei sei die Kombination von reduziertem Glutathion mit Anthocyanen in einem bestimmten Verhältnis, wie es in Recancostat comp. in einzigartiger Weise vorliege, von Bedeutung. Die Wirkstoffkombination sei mit dem Europa-Patent Nr 0545972 geschützt und gelte ausschließlich für das Original-Präparat Reconcostat comp.

Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) ein. Dr H.… vom MDKN führte unter dem 8. März 1996 aus, dass keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen vorlägen, die einen therapeutischen Erfolg des Präparats dokumentierten. Die Chemotherapieserie habe gerade erst begonnen, so dass die schulmedizinischen Behandlungsmethoden noch nicht erfolglos bzw ausgeschöpft seien. Die Verordnung sei sozialmedizinisch nicht begründet. Die Eltern der Versicherten reichten ein weiteres Rezept der Ärztin Dr F.… sowie deren Attest vom 14. November 1996 zu den Akten. Darin führte Dr F.… ua aus, dass, dass das reduzierte Glutathion (Recancostat) nach ihrer ärztlichen Erfahrung auf den Verlauf des Krebsgeschehens einen positiven Einfluss habe.

Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres Gutachten des MDKN (Arzt für Innere Medizin I.) vom 5. Februar 1997 ein. Dieser führte darin wie folgt aus:

“… Recancostat besteht nach Angaben des Herstellers aus reduziertem Glutathion (G-SH), Cystein und Anthocyanen. Irgendwelche konkreteren Angaben liegen nicht vor. Man änderte dann aus juristischen Gründen die Zusammensetzung durch weglassen des Anthocyane (Blütenfarbstoff). Das Arzneimittel wurde daraufhin mehrfach umbenannt und in wechselnden Zusammensetzungen als “Recancostat comp”, “Recancostat comp N” oder “Recancostat N-APO” vertrieben. …

Das Mittel Recancostat (früher ohne “comp” oder “comp N”) wird seit Jahren in Deutschland mit irreführender Werbung vermarktet. Der Vertrieb als Fertigarzneimittel wurde 1990 vom Landgericht Stuttgart durch eine einstweilige Verfügung untersagt. Daraufhin wurde das Arzneimittel als Apothekenrezeptur deklariert und vertrieben. Im Jahre 1991 hat das Regierungspräsidium Darmstadt der Herstellerfirma TDL Pharma GmbH die irreführende Werbung und auch das Inverkehrbringen des Arzneimittels untersagt. Diese Entscheidung ist vom Verwaltungsgericht Frankfurt im gleichen Jahr bestätigt worden. Nach Mitteilung des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 08.08.94 ist es auch weiterhin untersagt, Recancostat in Verkehr zu bringen.

Das Mittel ist in einem Kanton der Schweiz “bei Mangel an reduziertem Glutathion und L-Cystein” verkehrsfähig durch Registrierung. Es besteht keine Zulassung, das Mittel ist auch in der Schweiz nicht verordnungsfähig.

Ein statistisch relevanter Wirksamkeitsnachweis existiert nicht. Es sind lediglich einige experimentelle Daten aus Tierversuchen bekannt. Beim Menschen sind erniedrigte G-SH-Spiegel bei Tumorerkrankungen gefunden worden. Eine klin. Prüfung wird bis dato nicht durchgeführt (Auskunft RP Darmstadt vom 3.12.96). Eine Negativbeurteilung der Schweize...

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