Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Verordnungsfähigkeit. Arzneimittel, hier: Recancostat comp. N-APO. Erlaubnisvorbehalt nach § 135 Abs 1 S 1 SGB 5
Orientierungssatz
1. Nicht nur dann, wenn die Zulassung eines Arzneimittels abgelehnt worden ist, ist es von der Verordnungsfähigkeit in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn eine Entscheidung über die Zulassung aussteht, sei es, weil das Zulassungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist oder weil der Hersteller des Medikaments die Zulassung nicht beantragt hat (vgl BSG vom 23.7.1998 - B 1 KR 19/96 = BSGE 82, 233 = SozR 3-2500 § 31 Nr 5).
2. Der Vorbehalt des § 135 Abs 1 S 1 SGB 5 gilt für alle Arten von Untersuchungs- und Behandlungsverfahren und damit grundsätzlich auch für neuartige Arzneitherapien (vgl BSG vom 23.7.1998 - B 1 KR 19/96 R = aaO).
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte den Klägern die Kosten für das Arzneimittel Recancostat comp. N-APO zu erstatten hat.
Der Kläger zu 1 ist der Ehemann, der Kläger zu 2 der Sohn der ... 1924 geborenen und .... 1995 verstorbenen Gunta M (Versicherte). Die Kläger lebten zum Zeitpunkt des Todes beide in einem gemeinsamen Haushalt mit der Versicherten. Gemäß Erbschein des Amtsgerichts P vom 19.3.1996 haben sie die Versicherte je zur Hälfte beerbt.
Die Versicherte war vor ihrem Tod an einem Bronchialtumor erkrankt, aufgrund der Ausbreitung des Tumors bei der Diagnosestellung konnten nach Angaben des behandelnden Hausarztes B keine therapeutischen Möglichkeiten wie Bestrahlung, Operation oder Chemotherapie eingesetzt werden. Die Schmerzen der Versicherten führten nach Angaben des Hausarztes dazu, dass sie in den letzten Monaten vor ihrem Tod mit retardierten Opiaten behandelt werden musste.
Nachdem die Versicherte in den Medien von dem Arzneimittel Recancostat comp. N-APO erfahren hatte, ließ sie sich dieses Mittel von ihrem Hausarzt am 30.10.1995 und 20.11.1995 privatärztlich verordnen. Recancostat comp. N-APO ist in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Fertigarzneimittel zugelassen und wird im Inland ausschließlich vom Apotheker H in H/Hessen nach Vorlage der ärztlichen Verordnung aus zwei Recancostat-Filmtabletten und einer Antozyan-Kapsel, die in eine Gelatine-Kapsel gegeben werden, hergestellt. Vom Regierungspräsidium G wurde dem Apotheker zwischenzeitlich mit Verfügung vom 31.7.1996 das weitere Inverkehrbringen des Präparates untersagt, weil zum einen die wesentlichen Herstellungsschritte industriell vorgenommen würden, mithin die Ausnahme von der Zulassungspflicht als Rezepturarzneimittel nicht greife, und zum anderen die Bezeichnung als Krebsmittel irreführend sei. Die hiergegen erhobene Klage des Apothekers ist beim Verwaltungsgericht G (Az: ...) noch anhängig.
Nach Angaben der Kläger ist Recancostat comp. außerdem in einem Kanton in der Schweiz als Fertigarzneimittel, hergestellt von der Firma S GmbH in E/Deutschland, zugelassen. Die Versicherte besorgte sich das Mittel Recancostat comp. N-APO dreimal in einer Apotheke in der Schweiz, hierfür entstanden Kosten in Höhe von insgesamt 3.261,-- DM, und einmal in einer Apotheke in P zum Preis von 968,40 DM. Diese Apotheke hatte das Mittel vom Apotheker H bezogen.
Den nach dem Tode der Versicherten schriftlich gestellten Antrag auf Erstattung der Kosten in Höhe von insgesamt 4.229,40 DM lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3.5.1996 und Widerspruchsbescheid vom 8.1.1997 ab. Zur Begründung wurde im Widerspruchsbescheid im Wesentlichen ausgeführt, das Präparat Recancostat comp. sei auf Kosten der Krankenkasse nicht verordnungsfähig. Es handele sich bei diesem Präparat nicht um ein zugelassenes Medikament. Es gebe hierzu keinerlei Beweise für einen positiven Effekt bei Tumorleiden, weiterhin lägen keinerlei klinische Studien über die Wirksamkeit des Medikaments vor. Versicherte hätten ua Anspruch auf ärztliche Behandlung, wenn diese von zur kassenärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten erbracht werde. Dabei hätten die Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Die ärztliche Behandlung werde durch Ärzte erbracht, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen seien. Die kassenärztliche Versorgung werde im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Verbänden der Krankenkassen so geregelt, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemeinen anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet sei. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5.7.1995 werde für die Leistungspflicht der Krankenkasse gefordert, dass der Wirksamkeitsnachweis eines Präparats in Form in klinischen Studien vorliegen müsse. Solche Studien lägen nach einem Gutachten des MdK ...