Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung. Zur Feststellung einer Krebserkrankung der Nasenscheidewand bei einem Schweißer. Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit. kein berufstypisches Krankheitsbild. erhebliche Erhöhung des Erkrankungsrisikos. Fehlen epidemiologischer Daten. wissenschaftliche Erkenntnisse bzgl der beruflichen Verursachung von Lungenkrebs. Krebserkrankung der Nasenscheidewand. Schweißer
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Erkrankung, die kein berufstypisches Krankheitsbild aufzeigt, kann die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen (Mit)Verursachung auch nur im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne allein anhand der Bestimmung einer Erhöhung des Erkrankungsrisikos durch die berufliche Belastung beurteilt werden.
2. Die Feststellung einer erheblichen Erhöhung des Erkrankungsrisikos in einem belasteten Kollektiv im Vergleich zu einem unbelasteten Kontrollkollektiv erfordert bei arbeitsmedizinisch-epidemiologisch belastbaren Dosis-Wirkungs- bzw. Dosis-Häufigkeitsbeziehungen eine Risikoverdoppelung (Faktor 2).
3. In Ermangelung belastbarer epidemiologischer Daten für die Beurteilung einer beruflichen Verursachung von Nasenkrebs bei Schweißern sind die über eine berufliche Verursachung von Lungenkrebs vorhandenen Erkenntnisse heranzuziehen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 27. März 2007 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung von Verletztenrente. Streitig ist, ob eine Krebserkrankung der Nasenscheidewand wahrscheinlich wesentlich beruflich mitverursacht ist. Im Vordergrund stehen die Berufskrankheiten (BKen) Nummern (Nrn) 1103 (Erkrankung durch Chrom oder seine Verbindungen) und 4109 (bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lunge durch Nickel oder seine Verbindungen) der Anlage (Anl) 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Bei dem im Jahr H. geborenen Kläger wurde im Jahr 2003 ein Plattenepithelcarcinom (PEC) des Nasenseptums, das operativ behandelt wurde, diagnostiziert (Krankenbericht vom 31. Juli 2003). Die Untersuchung des entfernten Gewebematerials zeigte ein ulceriertes verhornendes PEC der Nase mit Excision im Gesunden (pathologisches Gutachten vom 28. Juli 2003). Festgehalten wurde die anamnestische Angabe des Klägers über einen täglichen Konsum von 5 bis 10 Zigaretten (Mitteilung des Chefarztes der Hals-Nasen-Ohren-Klinik des Klinikums I., J. vom 28. Juni 2012). Dr K. erstattete die ärztliche Anzeige über eine BK vom 11. September 2003, in der er die Erkrankung auf eine berufliche Nickel-Chrom-Einwirkung zurückführte. Der Kläger arbeitete nach der Ausbildung zum Bauschlosser seit dem Jahr 1971 in der Kesselschmiede der L.. Gegenüber Dipl-Ing M. berichtete er am 18. Dezember 2003, in der Ausbildung zum Bauschlosser vorwiegend niedriglegierte Baustähle bearbeitet und gelegentlich Schweißarbeiten mit Stabelektrode ausgeführt zu haben. In den Jahren 1967 bis Anfang des Jahres 1970 habe er als Geselle in der Abteilung Operationstischbau durchschnittlich 2 Stunden in der Woche vorwiegend leichte Bleche aus nicht rostenden Stählen mit Stabelektrode geheftet. Vom 2. Februar 1970 bis 8. Mai 1971 habe er als Maschinenschlosser bei N. und O. niedriglegierte Stähle bearbeitet und täglich ungefähr 1 Stunde geschweißt. Bei der P. sei er zunächst bis zum 31. Oktober 1979 als Apparatebauer im Bereich der Kesselschmiede tätig gewesen. Er habe Profile und Bleche aus verschiedenen Stählen bearbeitet. Heft- und Brennschneidarbeiten habe er durchschnittlich täglich ungefähr 1 bis 2 Stunden verrichtet. Ab dem 1. November 1979 sei er in die sog Terminabteilung gewechselt. Er habe sich 2/3 des Tages in Hallen und 1/3 des Tages in einem Büro aufgehalten. Der Aufenthalt in der mechanischen Werkstatt habe durchschnittlich 1 Stunde am Tag betragen (s auch die Mitteilung der Q. vom 6. Januar 2004). Der die Beklagte beratende Facharzt für Arbeits- und Innere Medizin Dr R. wies darauf hin, dass sowohl sechswertige Chromverbindungen als auch Nickel, gegenüber denen der Kläger beruflich exponiert gewesen sei, außer Bronchialkarzinomen auch im Bereich der Nase lokalisierte Malignome verursachen könnten und schlug vor, zunächst das Ausmaß der Exposition zu erfassen und danach eine arbeitsmedizinische Zusammenhangsbegutachtung durchzuführen (Stellungnahme vom 22. Januar 2004). Dipl-Ing M. errechnete eine kumulative Belastung von 550 µ/m³ x Jahre für Chrom VI-Verbindungen sowie von 779 µ/m³ x Jahre für Nickel und seine Verbindungen. In der Stellungnahme vom 8. März 2004 wies er darauf hin, dass es keine Informationen über die Exposition gebe. Deshalb habe er auf Messergebnisse über branchenübergreifende Arbeitsbereiche aus dem BIA-Report 2/96 "Zur Expositionssituation krebserzeugender Gefahrstoffe am Arbeitsplatz" zurückgegriffen. Bei der Tätigkeit in dem Unternehmen N. sei eine Chrom(VI)-/Nickel-Einwirkung nicht zu vermuten, weil CrNi-Stähle nicht verarbeitet wor...