nicht rechtskräftig
Verfahrensgang
SG Hildesheim (Entscheidung vom 14.09.1999; Aktenzeichen S 11 U 25/98) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 14. September 1999 und der Bescheid des Beklagten vom 12. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1998 aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Entschädigungsleistungen dem Grunde nach zu erbringen. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger bei einem Verkehrsunfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
Der im März 1976 geborene Kläger erlitt am 2. Januar 1997 gegen 10.20 Uhr auf der B 20 ca. 150 m vor der Ortschaft C. einen Verkehrsunfall, als er in einer leichten Rechtskurve aus ungeklärter Ursache in den Gegenverkehr geriet. Er zog sich bei dem Unfall u.a. ein Schädelhirntrauma III. Grades zu, im Anschluss ent-wickelte sich ein apallisches Syndrom und ein hirnorganisches Psychosyndrom. Er ist seitdem nicht vernehmungsfähig.
Der Kläger war seit 1. Oktober 1996 Krankenpflegeschüler des Krankenhauses D ... Die praktische Ausbildung sollte sich in 3 Krankenhäusern - in E. - vollzie-hen. Die Krankenpflegeschule befand sich in F., wo der Kläger im Schülerwohn-heim ein Zimmer hatte. Am Unfallmorgen befand er sich auf der direkten Fahrt zur Spätschicht - Dienstbeginn war ca. 13.00 Uhr - in der urologischen Abteilung des Krankenhauses Pfarrkirchen. Der Kläger hatte die Fahrt um ca. 8.40 Uhr von G. angetreten, wo er sich seit dem 28. Dezember 1996 mit seinen Eltern, seinen drei Geschwistern und deren 2 Ehepartnern in einer Ferienwohnung aufhielt. In der urologischen Abteilung war der Kläger vom 2. Januar bis 6. Januar 1997 für den Spätdienst und vom 7. - 9. Januar 1997 für den Frühdienst eingeteilt (Aus-kunft der D. Kreiskrankenhäuser vom 13. Februar 1997).
Vom 21. Dezember 1996 an hatte der Kläger bereits Urlaub gehabt, den er ab dem 22. Dezember 1996 in der elterlichen Wohnung in H. verbrachte, wo er über ein eigenes Zimmer verfügte. Seine dortige Meldung mit zweitem Wohnsitz ist aus Kostengründen (Einsparung von Abfallgebühren) unterblieben.
Der Kläger hatte bereits nach seinem Schulabbruch Anfang 1995 vom 1. April 1995 bis 30. April 1996 seinen Zivildienst in I. abgeleistet, weil seine zwei Schwestern in Süddeutschland und Oberösterreich in der Nähe wohnten. An-schließend hielt er sich bis zum Beginn seiner Ausbildung überwiegend im Eltern-haus auf. Sobald er während seiner Ausbildung einige Tage dienstfrei hatte, fuhr er etwa alle 4 Wochen einmal zu seinen Eltern (Aktenvermerk vom 29. Januar 1997). Im Übrigen hatte er drei Freundeskreise - in H., F. und I. - und war Trom-peter in einer Dixieland Jazzgruppe im Landkreis J., weshalb er auch seine Aus-bildung zum Krankenpfleger dort aufnahm (Angaben der Eltern vom 31. Januar 1997; Schriftsatz des Vaters vom 10. Februar 1997). Mit Bescheid vom 12. August 1997 lehnte der Beklagte die Entschädigung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Der innere ursächliche Zusammenhang des Weges mit der Ausbildungstätigkeit des Klägers sei hier zu verneinen, weil es sich um eine Rückfahrt vom gemeinsamen Urlaubsort der Familie und damit von einer ei-genwirtschaftlichen Tätigkeit gehandelt habe. Der Kläger habe seinen Weg weder von seinem Zimmer im Wohnheim noch von der elterlichen Wohnung angetreten. Bei dieser Sachlage sei nicht zu prüfen, ob es sich bei der elterlichen Wohnung überhaupt um eine Familienwohnung i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) VII handele.
Im Widerspruchsverfahren berief sich der Kläger auf § 8 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 1 SGB VII. Die Familie habe bisher die Weihnachts- und Neujahrszeit stets in der elterlichen Wohnung verbracht, die Rückfahrt von hier zum Krankenhaus habe unter Versicherungsschutz gestanden. Nur weil er am 2. Januar 1997 seinen Dienst habe antreten müssen und auch weitere Familienmitglieder Termine in Süddeutschland bzw. Österreich gehabt hätten, habe man die Familienwohnung nach Neukirchen "verlegt". Ihm dürfe kein Nachteil daraus entstehen, dass man die Familienwohnung dichter an seinen Arbeitsplatz gelegt habe. Zudem habe er die gleiche Wegstrecke auch bei der Fahrt von H. nach F. bzw. K. aus zurückle-gen können. Es sei die Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum sog. dritten Ort heranzuziehen (BSG Urteile vom 27. August 1987, SozR 2200 § 550 Nr 76 und 30. März 1988, SozR 2200 § 550 Nr. 78; Urteil vom 18. Oktober 1994, SozR 2200 § 550 Nr. 10). Entscheidend sei, dass er von der Ferienwoh-nung direkt die Arbeitsstätte im Krankenhaus und nicht erst noch sein Zimmer im Schülerwohnheim habe aufsuchen wollen. Dass die Wegstrecke von der Ferien-wohnung zum Krankenhaus länger als die vom Schülerwohnheim aus gewesen sei (140 km gegenüber 14 km), sei dabei unbeachtlich. Diesen Widerspruch wies ...