Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Berufskraftfahrer. Facharbeiterschutz
Leitsatz (amtlich)
Berufskraftfahrer sind grundsätzlich auch dann als Facharbeiter iS des rentenrechtlichen Dreistufenschemas einzustufen, wenn sie die Berufskraftfahrerausbildung zwar bereits vor Inkrafttreten der nunmehr eine dreijährige Ausbildungsdauer vorsehenden Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung (BKV; juris-Abk: KraftfAusbV 2001) vom 19.4.2001 (BGBl I 2001, 642) abgeschlossen, diesen Beruf aber nachfolgend noch mehrjährig ausgeübt haben.
Tenor
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 27. November 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 8. Januar 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2008 werden geändert.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger ab 1. August 2006 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der 1956 geborene Kläger begehrt die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Von 1973 bis 1975 durchlief der Kläger erfolgreich eine Ausbildung zum Verkäufer. Anschließend absolvierte er eine weitere Ausbildung zum Koch, bevor er sich für zwei Jahre als Soldat auf Zeit verpflichtete. Nach wechselnden Tätigkeiten als Kraftfahrer sowie im Gastronomie- und Verkaufsbereich war der Kläger von Juni 1989 bis April 1994 zeitweilig als Restaurantleiter bzw. stellvertretender Leiter eines (Schnell-)Restaurants und zeitweise als Filialleiter einer Einzelhandelskette beruflich tätig. Nach etwa einjähriger Arbeitslosigkeit wurde der Kläger zum Berufskraftfahrer in der Fachrichtung Personenverkehr umgeschult. Die Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer legte er im Dezember 1996 ab. Anschließend war der Kläger bis zum Eintritt der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit im Herbst 2005 als Busfahrer beruflich tätig; formal endete das letzte Arbeitsverhältnis zum 31. Januar 2008.
Vom 9. Februar bis 9. März 2005 hatte die Rentenversicherung dem Kläger nach einer im Januar 2005 durchgeführten Lasernukleotomie eine stationäre Heilmaßnahme im Schwerpunktklinikum I. gewährt. Ausgehend von den Diagnosen eines chronisch rezidivierenden pseudoradikulären Lumbalsyndroms mit Bandscheibenvorfall im Segment L1/2 und Bandscheibenprotrusion in den Segmenten L4/5 und L5/S1 gelangten die Klinikärzte seinerzeit zu der Einschätzung, dass dem Kläger zwar nicht eine alsbaldige Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit zuzumuten war, dass aber nach einer zu erwartenden weiteren Besserung der Symptomatik eine stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess in Betracht kommen werde.
Diese Wiedereingliederung verlief zunächst erfolgreich. Im Anschluss an diese konnte der Kläger bis August 2005 wieder arbeiten, wobei er "gut zurechtkam" (vgl. seine Angaben gegenüber der Sachverständigen Dr. J.).
Der Versicherungsverlauf des Klägers weist Pflichtbeitragszeiten für die Zeit bis Juli 2007 und anschließende Zeiten der Arbeitslosigkeit bis Januar 2008 auf.
Den vom Kläger im August 2006 gestellten Erwerbsminderungsrentenantrag lehnte die Beklagte nach Einholung eines chirurgischen Gutachtens von Dr. K. vom 18. Dezember 2006 mit Bescheid vom 8. Januar 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2008 mit der Begründung ab, dass der Kläger zwar nicht mehr die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Busfahrer, jedoch noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitstäglich jedenfalls sechsstündig ausüben könne. Auch ein Rentenanspruch nach § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) liege nicht vor. Als Angelernter könne der Kläger zumutbarerweise beispielsweise auf Tätigkeiten als Pförtner oder im Bereich der Wach- und Sicherheitsunternehmen verwiesen werden.
Mit der am 4. März 2008 erhobenen Klage hat der Kläger ein aufgehobenes Leistungsvermögen geltend gemacht.
Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und folgende Gutachten eingeholt:
Die chirurgische Sachverständige Dr. J. hat in ihrem Gutachten vom 6. Februar 2009 unter Einbeziehung namentlich der Wirbelsäulenerkrankungen des Klägers ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung insbesondere von länger dauernden Zwangshaltungen und von Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen bei fortbestehender Wegefähigkeit dargelegt.
Die nervenärztliche Sachverständige Dr. L. hat in ihrem Gutachten vom 3. Dezember 2009 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Abhängigkeitsentwicklung bei langjähriger Opiatbehandlung, eine sensible Nervenwurzelschädigung L3 und L4 links bei medianem Bandscheibenvorfall LWK 1/2, links-mediolateralem Bandscheibenvorfall LWK 5/SWK 1 und Bandscheibenprotrusi...