Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. gastspielverpflichteter Künstler an einem Staatstheater. Verpflichtung zur kurzfristigen Dienstbereitschaft als Teil der geschuldeten Arbeitsleistung zwischen den Vorstellungen. Dauerbeschäftigungsverhältnis. abhängige Beschäftigung
Orientierungssatz
Gastspielverpflichtete Künstler an einem Staatstheater stehen in einer dauernden (durchgehenden) Beschäftigung, wenn in den Zeiten zwischen den Vorstellungen eine Verpflichtung zur Dienstbereitschaft besteht (vgl BSG vom 20.03.2013 - B 12 R 13/10 R = SozR 4-2400 § 7 Nr 19).
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 2. Februar 2011 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits aus beiden Instanzen zu zahlen.
Der Streitwert für das Verfahren vor dem Sozialgericht wird auf 9.202,92 Euro und für das Berufungsverfahren auf 7.153,40 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich im Berufungsverfahren noch gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 7153,40 Euro für die beigeladenen gastspielverpflichtete Künstler durch die Beklagte nach einer Betriebsprüfung.
Die Klägerin betreibt ein Staatstheater als selbständigen Betrieb. Sie schloss durch den Generalintendanten und den Verwaltungsdirektor mit mehreren Künstlern, so auch mit den Beigeladenen zu 1. bis 4., Verträge über ihre Gastspielverpflichtungen.
Die Beklagte führte in der Zeit vom 11. bis zum 14. Juni 2007 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung gem. § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) durch. Dabei prüfte sie die ihr vorgelegten Gastspielverpflichtungen der Beigeladenen zu 1. bis 4. Die Gastspielverpflichtungen sind in einem Mustervertrag geregelt, der für alle 4 Beigeladenen annähernd gleich geregelt ist.
In dem Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. vom 9. Oktober 2006 heißt es wie folgt:
§ 1
Herr N. wird als Sänger für die Partie des O. in der Produktion
“O.„ (in italienischer Sprache)
verpflichtet.
§ 2
“Der Gast steht dem P. wie folgt zur Verfügung:
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Beginn der Proben: |
09.10.2006 |
WA-Premiere: |
12.10.2006 |
Vorstellungstermine: |
12.10.2006 |
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19.10.2006 |
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22.10.2006 |
Der Gast ist verpflichtet;
sich über Beginn und Ort von Proben und Aufführungen beim P. rechtzeitig zu unterrichten,
allen Weisungen des P. nachzukommen, auch hinsichtlich Regie, Kostüm u. Maske,
mit gelernter Rolle/Partie zu den Proben zu erscheinen,
an allen Proben teilzunehmen, die seine Anwesenheit erfordern, einschließlich Sonn- Feiertags- und Umbesetzungsproben sowie Wiederaufnahmeproben,
die vom P. festgesetzte Applausordnung zu beachten,
sich bei allen Aufführungen mindestens eine halbe Stunde vor Beginn des Aktes, in dem er aufzutreten hat, in seinem Ankleideraum einzufinden.
§ 3
Der Gast erhält für die vereinbarte Leistung:
Pro wahrgenommenem Probentag ein Honorar i.H.v. brutto Q. (i.W.: R.) zzgl. Fahrtkosten S. 2. Kl. BC 25 (plus nachgewiesene Zuschläge/Aufpreise IC/ICE).
Für die wahrgenommene Vorstellung ein Honorar i.H.v. brutto T. (i.W.: U.) zzgl. Fahrtkosten S. 2.Kl. BC 25 (plus nachgewiesene Zuschläge/Aufpreis IC/ICE und notwendiger Übernachtungskosten (V. o.ä.).
Erholungsurlaub kann während der Vertragszeit nicht gewährt werden. Von dem vereinbarten Bruttohonorar dient 1/13 der Abgeltung eines ggf. bestehenden Anspruchs auf Erholungsurlaub.
Die Zahlung erfolgt nach der Vorstellung auf ein anzugebendes Konto.„
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Blatt I60 der Verwaltungsakte verwiesen.
Am selben Tag bereits schloss der Beigeladene zu 1. mit der Klägerin noch weitere, im Wesentlichen gleichlautende Verträge für weitere Vorstellungen am 12. November 2006, 30. November 2006, 2. Dezember 2006 und 21. Dezember 2006 ab.
Die Vertragsgestaltung der anderen Beigeladenen war ähnlich. Auch für diese Beigeladenen wurden jeweils weitere Termine für Aufführungen im Jahr 2005 bzw 2006 schon am Tag des ersten Vertragsschlusses vereinbart. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt I38 ff der Verwaltungsakte verwiesen.
Die Beklagte forderte nach der Betriebsprüfung von der Klägerin mit Bescheid vom 18. Juni 2007 Gesamtsozialversicherungsbeiträge i. H. v. 9202,92 Euro nach. Grundlage war die Ansicht der Beklagten, dass für die Beigeladenen zu 1. bis 4. ein Dauerbeschäftigungsverhältnis bis zur letzten Vorstellung bestehe und nicht ein jeweils eintägiges Beschäftigungsverhältnis für die jeweilige Aufführung, wie von der Klägerin angenommen. Dabei hat die Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge nur bis zur kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze entrichtet. Neben der Nachforderung für die hier im Streit befindliche Nachforderung für die Beigeladenen von 1. bis 4. waren u. a. kurzfristige Beschäftigungen im Streit. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom November 2007, abgesandt am 7. November 2007).
Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben, die am 20. November 2007 beim Sozialgericht (SG) Braunschweig eingegangen ist. Ausweislic...