Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Übergangsrecht gem §§ 212, 214 Abs 2 S 1 SGB 7. Versicherungsfall vor Inkrafttreten des SGB 7 am 1.1.1997. Neufestsetzung des JAV nach § 90 Abs 2 SGB 7. Vollendung des 30. Lebensjahres und Einführung der tariflichen Regelung über eine weitere Lohnsteigerung nach Berufsjahren nach Inkrafttreten des SGB 7

 

Orientierungssatz

Ein Versicherter, dessen Versicherungsfall und Ausbildungsende bereits vor Inkrafttreten des SGB 7 lagen, hat bei Vollendung des 30. Lebensjahres und der Einführung der tariflichen Regelung über eine weitere Lohnsteigerung nach Berufsjahren erst nach dem Inkrafttreten des SGB 7 einen Anspruch auf Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes gem §§ 90 Abs 2 S 1, 212, 214 Abs 2 S 1 SGB 7.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.09.2012; Aktenzeichen B 2 U 14/11 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 26. Mai 2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 17. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2009 aufgehoben.

Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger ab dem 1. Januar 2004 Verletztenrente unter Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes auf der Grundlage der Regelungen der §§ 90 Abs. 2, 212, 214 Abs. 2 Satz 1 SGB VII zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Neufeststellung des seiner Rentenleistung zu Grunde liegenden Jahresarbeitsverdienstes (JAV) nach § 90 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch  - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII).

Der 1971 geborene Kläger erlitt am 27. Mai 1989 auf dem Weg zur Arbeit mit seinem Moped einen Arbeitsunfall. Aufgrund dieses Arbeitsunfalls hatte die Beklagte im Jahr 1989 den sich für eine Rentenberechnung zu Grunde zu legenden JAV noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu ermitteln. Zu berücksichtigen war dabei von der Beklagten, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls noch in einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann befand, die er am 1. August 1988 begonnen hatte und die am 31. Juli 1990 enden sollte. Die Beklagte fragte hierfür zunächst bei dem Lehrbetrieb bzw. Arbeitgebers des Klägers, der Firma H. GmbH & Co. KG, I., an, der am 9. Juni 1989 mitteilte, dass der Kläger im Jahr vor dem Unfall (Zeitraum 27. Mai 1988 bis 26. Mai 1989) in der Zeit vom 1. August 1988 bis 26. Mai 1989 Lohn/Gehalt in einer Höhe von damals noch DM 6.710,00 zuzüglich DM 100,-- Weihnachtsgeld verdient habe. Ausweislich einer vorläufigen internen Berechnung berechnete die Beklagte den JAV zunächst wie folgt:

1. Berechnung nach § 571 Abs. 1 Satz 1 und 2 RVO in Höhe von DM 6.810,-- bzw. “aufgefüllt„ (um den einkommenslosen Zeitraum vom 27. Mai 1988 bis 31. Juli 1988 in Höhe von DM 1.473,48) auf DM 8.283,48.

2. Berechnung des Mindest-JAV nach § 575 Abs. 1 RVO in Höhe von DM 15.120,00 (im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls maßgebende Bezugsgröße von DM 37.800,00 vor Vollendung des 18. Lebensjahres x 0,4) bzw. DM 22.680,00 (im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls maßgebende Bezugsgröße von DM 37.800,00 x 0,6 ab Vollendung des 18. Lebensjahres, hier ab 20. Juli 1989).

Weil sich der Abschluss der Ausbildung des Klägers aufgrund der Unfallfolgen verzögerte, ermittelte die Beklagte im weiteren Verlauf des Feststellungsverfahrens den JAV des Klägers dann nach § 573 Abs. 1 Satz 1 und 2 RVO (voraussichtliches Ende der Ausbildung zum 31. Juli 1990) durch eine erneute Anfrage bei dem Arbeitgeber des Klägers, der am 26. Juli 1990 mitteilte, dass für einen Verkäufer, der am 31. Juli 1990 seine Berufsausbildung beendet habe und zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt sei, vom 1. August 1990 an durch Tarif ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von DM 1.668,00 vorgesehen sowie sonst ortsüblich ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von DM 1.750,00 sei. Zusätzliche Leistungen hierzu, die durch Tarif festgesetzt seien, seien ein jährliches Urlaubsgeld in Höhe von DM 1.160,50 bzw. sonst ortsüblich ein Weihnachtsgeld in Höhe von DM 500,--, Urlaubsgeld in Höhe von DM 1.000,00 sowie Beträge nach dem Vermögensbildungsgesetz in Höhe von DM 624,00.

Diese Angaben setzte die Beklagte ausweislich einer weiteren internen JAV-Berechnung wie folgt um: Festsetzung des Arbeitsentgelts für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung am 31. Juli 1990 nach § 573 Abs. 1 RVO in Höhe von DM 23.124,-- (ortsübliches Arbeitsentgelt von DM 1.750 x 12 zuzüglich Weihnachtsgeld von DM 500,-- zuzüglich Urlaubsgeld von DM 1.000,00 sowie vermögenswirksame Leistungen von DM 624,00). Folgender Hinweis ist in der Berechnung enthalten: “Da dieser JAV niedriger ist, als der zum 1. Juli 1990 angepasste JAV von DM 23.396,69 (22.680,-- x 1,0316), verbleibt es beim bisherigen JAV.„ Eine Berechnung nach § 573 Abs. 2 RVO (Arbeitsentgelt für unter 25 Jahre alte Verletzte zum Zeitpunkt de...

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