Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. stationäre Einrichtung der Behindertenhilfe ohne Anspruch auf Behandlungspflege als geeigneter Ort iSv § 37 Abs 2 S 1 SGB 5
Orientierungssatz
1. Die Gemeinsamkeiten der stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne Anspruch auf Behandlungspflege mit betreuten Wohnformen rechtfertigen es, diese Wohneinrichtungen als geeignete Orte im Sinne von § 37 Abs 2 S 1 Alt 3 SGB 5 anzusehen, wenn man sie nicht schon als besondere Ausprägung des betreuten Wohnens versteht (vgl LSG Hamburg vom 24.4.2014 - L 1 KR 24/12).
2. Eine Behinderteneinrichtung ist jedoch dann kein sonstiger geeigneter Ort, wenn eine umfassende Versorgung von der Einrichtung durchgeführt wird (vgl LSG Hamburg vom 24.4.2014 - L 1 KR 24/12, LSG München vom 12.3.2014 - L 4 KR 119/12).
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 16. Juni 2010 wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 26. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2009 rechtswidrig war. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege in einer Einrichtung der Behindertenhilfe bzw. um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Leistungsversagung.
Der im Jahre 1963 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er ist geistig behindert mit Einrichtung einer Betreuung und leidet in körperlicher Hinsicht an einem Ulcus Cruris, einem Lymphödem und einer transitorischen ischämischen Attacke (TIA).
Seit dem Jahre 1981 lebt er in einer Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, dem Wohnheim der Gesellschaft für paritätische Sozialarbeit in M. Er arbeitet in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) N. Im Wohnheim bewohnt er ein Einzelzimmer in einer Wohngruppe mit acht weiteren Mitbewohnern. Sein Bruder lebt in der gleichen Einrichtung. Es handelt sich dabei um eine stationäre Wohneinrichtung zur gesellschaftlichen Eingliederung von Menschen mit Behinderung gem. §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Am 23. Juni 2008 verordnete der behandelnde Allgemeinmediziner Dr. O. dem Kläger häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung für den Zeitraum 1. Juli bis 30. September 2008. Erforderlich sei das Anlegen von Kompressionsverbänden und das Anlegen und Wechseln von Wundverbänden einmal täglich. Die Betreuerin des Klägers teilte mit, dass die Versorgung im Falle einer Leistungsablehnung durch die Hausarztpraxis durchgeführt werden solle.
Mit Bescheid vom 26. August 2008 lehnte die Beklagte den Antrag betreffend den verordneten Zeitraum ab. Eine Kostenübernahme sei nicht möglich, da behandlungspflegerische Leistungen in stationären Behinderteneinrichtungen im Sinne des § 43a Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) bereits durch die Kostentragung der Pflegekasse bzw. des Sozialhilfeträges gedeckt würden.
Der Kläger erhob unter dem 2. September 2008 über seine Betreuerin Widerspruch und trug vor, dass er in einem Heim für geistig behinderte Menschen lebe. Die Kosten würden nicht durch den Sozialhilfeträger (P.) gedeckt. Er verfüge nur über ein geringes Taschengeld und könne deswegen die Kosten der Versorgung nicht übernehmen. Der behandelnde Hausarzt halte die Wundversorgung für unbedingt notwendig. In der Vergangenheit hätte das Heim die Kosten für die ambulante häusliche Pflege übernommen, da eine Trennung der beiden Brüder mit Unterbringung des Klägers in einem Pflegeheim aus psychischen und sozialen Gründen nicht in Betracht komme.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Häusliche Krankenpflege könne nicht verordnet werden für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht. Dies seien insbesondere stationäre Pflegeeinrichtungen und andere Einrichtungen, in denen die Teilnahme am Arbeitsleben oder das Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehe. Für den Kläger würden Eingliederungshilfeleistungen nach §§ 53, 54 SGB XII durch den P. gewährt. Zu den ergänzenden Leistungen des Sozialhilfeträgers gehörten im Einzelfall auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Es werde anheimgestellt, sich an den Einrichtungsträger bzw. den Sozialhilfeträger zu wenden.
Hiergegen hat der Kläger am 14. April 2009 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Nach seiner Ansicht umfasse die Eingliederungshilfe keine Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Er lebe in einer auf selbstbestimmtes Leben ausgerichteten betreuten Wohnform. Wäre die Beklagte für die streitbefangene Leistung nicht zuständig, so hätte sie statt der Lei...