Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Beitragsfreiheit. Aufstockungsbeträge nach § 3 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a AltTZG 1996. unbeschränkte Steuerfreiheit

 

Leitsatz (amtlich)

Aufstockungsbeträge nach § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst a Altersteilzeitgesetz (juris: AltTZG 1996) sind wegen ihrer unbeschränkten Steuerfreiheit (§ 3 Nr 28 EStG) nicht als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt iSv § 14 Abs 1 SGB IV anzusetzen.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 8.3.2016 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 22.1.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.8.2013 aufgehoben, soweit er die Beitragsnachforderung hinsichtlich der Aufstockungsbeträge nach dem Altersteilzeitgesetz i. H. v. 21.447,05 € betrifft.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird endgültig auf 21.447,05 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Die Klägerin ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in H. Sie zahlte 43 bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern, die sich in dem Jahr 2011 in Altersteilzeit befanden, aufgrund einer Dienstvereinbarung mit der Gesamtmitarbeitervertretung vom 28.3.2011 freiwillige Aufstockungsbeträge nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) Altersteilzeitgesetz (AltTZG 1996), die zusammen mit dem während der Altersteilzeit bezogenen Nettoarbeitslohn monatlich 100% des maßgebenden Arbeitslohnes überstiegen.

Die Beklagte führte bei der Klägerin in dem Zeitraum 22.10.2012 bis 15.1.2013 eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 SGB IV durch. Nach vorheriger Anhörung (Schreiben vom 29.11.2012) forderte die Beklagte mit Bescheid vom 22.1.2013 von der Klägerin für die Jahre 2008 bis 2011 Beiträge zur Sozialversicherung i. H. v. 26.268,51 € nach. Zunächst habe die Klägerin Überstundenvergütungen beitragsrechtlich fehlerhaft bewertet. Darüber hinaus habe sie die ihrerseits im Rahmen der Altersteilzeit gezahlten freiwilligen Aufstockungsleistungen beitragsrechtlich unzutreffend behandelt. Der Aufstockungsbetrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 a) AltTZG 1996 sei zwar grundsätzlich gemäß § 3 Nr. 28 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei und gehöre damit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung - SvEV) nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt. Nach R 3.28 Abs. 3 Satz 2 der geltenden Lohnsteuerrichtlinie (LStR) sei derjenige Teil des Aufstockungsbetrages jedoch nicht steuerfrei und damit sozialversicherungsbeitragspflichtig, der zusammen mit dem Altersteilzeitentgelt 100% des maßgebenden Arbeitslohnes übersteige. Letzteres sei jedoch bei den hier betroffenen Arbeitnehmern der Fall gewesen. Die an diese seitens der Klägerin im Rahmen der Altersteilzeit gezahlten freiwilligen Aufstockungsleistungen seien steuerpflichtig und unterlägen daher auch der Beitragspflicht in der Sozialversicherung, soweit sie zusammen mit dem Altersteilzeitentgelt 100% des maßgebenden Arbeitslohnes überstiegen.

Den dagegen seitens der Klägerin am 1.2.2013 eingelegten, auf die Beitragsnachforderung wegen der gezahlten Aufstockungsbeträge beschränkten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7.8.2013 zurück. Ihre Entscheidung begründete sie ergänzend damit, dass, da die LStRen für die Finanzverwaltung bindend seien, die sich daraus resultierenden Feststellungen zur Steuerpflicht bzw. -freiheit auch für die Sozialversicherung gälten.

Dagegen hat die Klägerin am 4.9.2013 Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Ihrer Auffassung nach seien die gezahlten Aufstockungsbeträge insgesamt nicht zu verbeitragen, unabhängig davon, ob sie zusammen mit dem während der Altersteilzeit bezogenen Nettoarbeitslohn monatlich 100% des maßgebenden Arbeitslohnes überstiegen. R 3.28 Abs. 3 Satz 2 LStR sei nicht anwendbar, da diese § 3 Nr. 28 EStG nicht zutreffend auslege. Nach dessen Wortlaut seien die Aufstockungsbeiträge des Arbeitgebers nach dem AltTZG 1996 uneingeschränkt steuerfrei. Eine etwaige Beschränkung der Steuerfreiheit ergebe sich auch nicht aus dem in dem Gesetzgebungsverfahren dokumentierten Willen des Gesetzgebers. Den einschlägigen Sitzungsprotokollen und Ausschussberichten seien keine Ausführungen zu einer möglicherweise beabsichtigten Einschränkung der Steuerfreiheit zu entnehmen. Beachtlich sei, dass der ursprüngliche Gesetzentwurf für den mit Wirkung zum 1.1.1989 eingeführten § 3 Nr. 28 EStG noch eine hälftige Steuerbefreiung für die Aufstockungsbeträge vorgesehen habe. Im Gesetzgebungsverfahren habe sich der Gesetzgeber aber dann offensichtlich dazu entschlossen, die Aufstockungsbeträge unbeschränkt für steuerfrei zu erklären. Der Finanzausschuss des Bundestages habe in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf vom 30.11.1988 eine unbeschränkte Steuerbefreiung bewusst empfohlen und diese unter Berück...

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