Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. fachliche Überwachung von nichtärztlichen Mitarbeitern. sachlich-rechnerische Richtigstellung. Verfahrensermessen. Abgabe. Sammelerklärung
Orientierungssatz
1. Eine fachliche Überwachung iS des § 15 Abs 1 S 3 BMV-Ä bzw § 14 Abs 1 S 2 EKV-Ä setzt voraus, dass der Arzt im Zeitraum der Leistungserbringung in der Praxis bzw im Labor anwesend ist (vgl LSG München vom 15.1.1997 - L 12 Ka 111/95), weil nur so gewährleistet ist, dass der Arzt sein Hilfspersonal effektiv kontrollieren und sich im Einzelfall durch Augenscheineinnahme von der Beschaffenheit ggf problematischer Befunde oder labortechnischer Vorgänge überzeugen kann, um die erforderlichen Beurteilungen treffen oder Anweisungen an seine Hilfspersonen geben zu können.
2. Laborleistungen, die Hilfspersonen im Zeitpunkt einer Urlaubsabwesenheit des Arztes erbracht haben, sind keine vertragsärztlichen Leistungen und können nicht vergütet werden.
3. In welcher Weise die sachlich-rechnerische Richtigstellung durchzuführen ist, ist in den §§ 45 BMV-Ä, 34 EKV-Ä nicht geregelt und unterliegt deshalb dem pflichtgemäßen Ermessen einer Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), das als Verfahrensermessen nicht gesondert zu begründen ist.
4. Bei Abgabe einer Sammelerklärung hat eine KÄV die rechnerische und sachliche Richtigstellung der Honorarabrechnung auf die festgestellten Abrechnungsfehler zu beschränken, wenn die unrichtigen Angaben in der Honorarabrechnung auf einem schlichten Versehen des Vertragsarztes, also auf leichter oder einfacher Fahrlässigkeit beruhen. Dagegen ist sie befugt, den gesamten Honorarbescheid aufzuheben, wenn der Arzt vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hat. Denn in diesem Fall entfällt die Garantiefunktion der Sammelerklärung, die die an sich gebotene Erklärung und Abrechnung jeder einzelnen Behandlungsleistung entbehrlich gemacht hat.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Umfang einer sachlich-rechnerischen Berichtigung. Der Kläger ist als Arzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie niedergelassen und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Im Quartal IV/1997 rechnete er Leistungen mit einer Gesamtpunktzahl von 13.234.739,1 ab, wobei der weit überwiegende Teil hiervon auf Laboratoriumsuntersuchungen nach O I bis O III des für dieses Quartal geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) entfiel. Der Abrechnung fügte er eine Sammelerklärung (vom "15.01.1997") bei, in der er angab, er habe im Quartal keinen Vertreter oder Assistenten beschäftigt, und bestätigte, dass sämtliche im laufenden Quartal zur Abrechnung gebrachten Laboruntersuchungen des Abschnitts O III unter seiner persönlichen Überwachung und unmittelbaren Verantwortung durchgeführt worden seien. Die Beklagte erteilte ihm für dieses Quartal den Honorarbescheid vom 22. April 1998, mit dem sie das auszuzahlende Gesamthonorar auf 917.055,67 DM festlegte.
Bei einer Besprechung im März 1998 gab der Kläger der Beklagten gegenüber an, er habe im 4. Quartal 1997 keinen Urlaub gehabt. Im Rahmen einer weiteren Besprechung am 8. Juli 1998 räumte er dagegen ein, in den Herbstferien des Jahres 1997 Urlaub gehabt zu haben, nachdem die Beklagte ihn auf das Vorliegen entsprechender Beweise für eine Auslandsreise in diesem Zeitraum hingewiesen hatte. Der Kläger legte außerdem eine am 15. Juli 1998 unterzeichnete korrigierte Sammelerklärung vor, die die Angabe enthielt, er habe die Praxistätigkeit wegen Urlaubs vom 23. Oktober bis 4. November 1997 nicht ausgeübt.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 1998 berichtigte die Beklagte die in der Zeit vom 23. Oktober bis 4. November 1997 zur Abrechnung gebrachten Leistungen des Klägers in vollem Umfang und korrigierte die bisherige Honorarabrechnung in einer Höhe von 87.932,95 DM (82.487,95 DM für Laborleistungen, 5.445,- DM für Versandkosten). Der Kläger habe gegen seine Verpflichtung verstoßen, die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben, denn auch die Erbringung vertragsärztlicher Leistungen durch Mitarbeiter ohne die Anordnung und fachliche Überwachung durch den Vertragsarzt oder durch einen angestellten Arzt oder durch einen genehmigten Assistenten sei nicht zulässig. Der bisher für das 4. Quartal 1997 erteilte Honorarbescheid werde deshalb aufgehoben.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 26. Oktober 1998 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er vortrug, die Quartalsabrechnung sei pauschal und im Einzelnen nicht nachvollziehbar gekürzt worden; auch sei eine Neuberechnung des gesamten Quartals nicht durchgeführt worden, weshalb die ursprünglichen Fall- und Höchstwertberechnungen nicht mehr stimmten. Im Übrigen wies der Kläger darauf hin, dass auch andere Einrichtungen ohne Laborarzt Laborleistungen abrechneten. In seinem Labor seien während seiner Ortsabwesenheit eine Diplombiologin, ein Diplombiologe, eine Diplomchemikerin, ein Diplomchemieingenieur und technisches Fachpersonal anwesend gewes...