Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Gerichtskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Ein stundenweise entlohnter Physiotherapeut, der seine Leistungen ohne eignes Unternehmerrisiko im Betrieb der Auftraggeberin in deren Namen erbringt, wird abhängig beschäftigt.
2. Eine abhängige Beschäftigung verliert ihren Charakter nicht schon durch die Vereinbarung eines überdurchschnittlichen Gehaltes.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Inhaberin eines Physiotherapiezentrums. Sie wendet sich mit ihrer Berufung gegen die von der Beklagten getroffene Feststellung, dass der früher in ihrem Unternehmen tätige Beigeladene abhängig und sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.
Der Beigeladene ist Masseur und medizinischer Bademeister. Er gründete im Mai 2004 unter Inanspruchnahme eines zunächst gewährten Existenzgründungszuschusses der Bundesagentur für Arbeit eine sog. Ich-AG, um seinen Beruf als Physiotherapeut ausüben zu können. Er verabreicht insbesondere Massagen, Lymphdrainagen, Fangopackungen, Hot-Stone-Massagen und elektrotherapeutische Maßnahmen.
Diese Tätigkeit übte der Beigeladene überwiegend in den Räumen der Klägerin mit der dort von ihr bereitgestellten Ausrüstung, teilweise auch im Rahmen von Hausbesuchen aus. Für seinen Zeitaufwand stellte er der Klägerin 22 € je Stunde (zuzüglich eines eventuell angefallenen Kilometergeldes von 0,28 Ct. je Kilometer) in Rechnung. Beispielsweise stellte der Beigeladene der Klägerin für Mai 2004 65 Stunden, für Februar 2005 und Februar 2006 jeweils 105,5 Stunden, für Juli 2007 71 Stunden und für Januar 2008 87 Stunden in Rechnung, die von der Klägerin mit jeweils 22 € vergütet wurden. Gegenüber den Kunden bzw. Kostenträgern rechnete die Klägerin im eigenen Namen ab. Ein schriftlicher Vertrag wurde zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen nach den damaligen Angaben des Beigeladenen nicht geschlossen (vgl. seine Erklärung, Bl. 9 Verwaltungsvorgänge). Neben der Tätigkeit für die Klägerin behandelte der Beigeladene in seinem häuslichen Bereich in relativ geringfügigem Umfang (etwa 5 % seiner für die Klägerin aufgewandten Arbeitszeit) Patienten auf eigene Rechnung (Bl. 62 GA).
Am 27. Dezember 2007 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status und wies darauf hin, dass sein einziger Auftraggeber die Klägerin sei.
Mit Bescheid vom 21. April 2008 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene die Tätigkeit als Masseur in dem Physiotherapiezentrum der Klägerin seit Juni 2004 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und seit dem 1. Juni 2007, d.h. nach Auslaufen des Existenzgründungszuschusses, dem Grunde nach der Sozialversicherungspflicht unterliege. Ein schriftlicher Vertrag existiere nicht. In der Gesamtwürdigung überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, insbesondere trage der Beigeladene kein unternehmerisches Risiko.
Mit ihrem am 15. Mai 2008 eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass der Beigeladene selbständig über die Ausübung seiner Tätigkeit und die Arbeitszeiten entscheide. Er sei nicht weisungsgebunden. Einen schriftlichen Vertrag über die Zusammenarbeit mit dem Beigeladenen legte die Klägerin im Widerspruchsverfahren nicht vor. Mit Bescheiden vom 14. November 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin und einen auch von Seiten des Beigeladenen eingelegten Widerspruch zurück.
Mit der am 15. Dezember 2008 erhobenen Klage hat die Klägerin einen Vertrag zwischen ihr und dem Beigeladenen mit dem Datum vom 1. Mai 2004 vorgelegt. Unter der Überschrift "Vertrag über die selbständige Mitarbeit", in dem die Klägerin als "Auftraggeberin" bezeichnet wurde, wurde danach vereinbart, dass der Kläger ab Mai 2004 die Aufgabe eines Masseurs mit wöchentlich 15 Stunden übernehmen sollte. Bei der "Durchführung" dieser Tätigkeit sollte er keinen Weisungen der Auftraggeberin unterliegen. Je Arbeitsstunde war ein Honorar von 22 € vereinbart. In dem Vertrag wurde dem Kläger untersagt, außerhalb des Physiotherapiezentrums der Klägerin (ohne deren schriftliche Genehmigung) Patienten mit Wohnsitz in J. zu behandeln oder anderweitig für "unmittelbare Konkurrenzfirmen" tätig zu werden (§§ 4, 12 des Vertrages). In § 10 des Vertrages hieß es: "Von der Möglichkeit des Abschlusses eines Anstellungsvertrages ist in Anwendung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bewusst kein Gebrauch gemacht worden…"
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der Vertrag inhaltlich auf Empfehlungen des Berufsverbandes beruhe. Der Vertrag habe nicht nur auf dem Papier bestanden, sondern den tatsächlichen Willen der Vertragspartner zum Ausdruck gebracht. Die Vertragsbeteiligten hätten eine selbständige Tätigkeit vereinbart, gewollt und gelebt.
Der Verdienst des Beigeladenen sei von der Auftragslage abhängig gewese...