nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertrauensschutz. Fachgebietsfremde Leistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Mit einem Genehmigungsbescheid, wonach dem Kläger die Ausführung von Röntgenleistungen u.a. der Halswirbelsäule nach der Gebührenordnungsziffer 5032 in der vertragsärztlichen Versorgung genehmigt worden ist, wird lediglich die radiologische Qualifikation eines Arztes zur Erbringung solcher Leistungen bestätigt, nicht jedoch umfassend die Frage der Abrechenbarkeit solcher radiologischer Leistungen unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten unter Einschluss insbesondere der Fachgebietszugehörigkeit geprüft.
2. Vertragsärzte können Leistungen, die nicht in ihr Fachgebiet fallen, grundsätzlich nicht abrechnen. Angesichts der Vielgestaltigkeit der dem Arzt in seiner täglichen Praxis unterkommenden Behandlungsfälle kann eine starre Grenze zwischen den einzelnen ärztlichen Fachgebieten nicht gezogen werden, vielmehr muss dem Vertragsarzt aus dem Bedürfnis der Praxis eine gewisse Toleranzbreite zugestanden werden.
3. Da bundesrechtlich die Bindung eines jeden Vertragsarztes an die Grenzen des von ihm im Zulassungsverfahren festgelegten Fachgebietes normiert ist, sind solche auch nur partiellen Gebietsüberschreitungen im Rahmen der vertragsärztlichen Tätigkeit auch dann untersagt, wenn der betroffene Arzt nach den landesrechtlichen Vorgaben der jeweiligen WBO aufgrund des Erwerbes einer Zusatzbezeichnung o.ä. berechtigt ist, die Fachgebietsgrenzen zu überschreiten.
4. Bei fachfremd erbrachten Leistungen unterliegt die Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigungen zu sachlich-rechnerischen Richtigstellungen Einschränkungen durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes, soweit über einen längeren Zeitraum eine systematisch fachfremde oder eine ohne ausreichende fachliche Qualifikation ausgeübte Tätigkeit wissentlich geduldet und der Vertragsarzt im Vertrauen auf die weitere Vergütung solcher Leistungen weiterhin entsprechende Leistungen erbracht hat.
5. In diesem Zusammenhang ist namentlich zu prüfen, ob dem Vertragsarzt nach den Umständen des Falles eine Auslauffrist zuzubilligen ist. Dies kann selbst dann angezeigt sein, wenn die Kassenärztliche Vereinigung Anlass zur Änderung ihrer Verwaltungspraxis hatte; dabei kommt insbesondere dem Umstand Bedeutung zu, wann der Vertragsarzt Kenntnis hiervon erlangt hat.
Normenkette
BMV-Ä § 45 Abs. 2 S. 1; EKV-Ä § 34 Abs. 4 S. 2; Ärzte-ZV § 18 Abs. 1 S. 2, § 24 Abs. 3
Verfahrensgang
SG Hannover (Entscheidung vom 27.02.2002; Aktenzeichen S 16 KA 974/98) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 27. Februar 2002 geändert. Der Honorarbescheid des Klägers für das Quartal IV/1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. September 1998 wird aufgehoben, soweit mehr als zwei Leistungen nach Ziffer 5032 EBM im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung abgesetzt worden sind. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger drei Leistungen nach Ziffer 5032 EBM für das Quartal IV/1997 nachzuvergüten. Im übrigen werden die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt 3/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Kläger 2/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten aus beiden Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich dagegen, daß ihm die Beklagte für die von ihm im Quartal IV/1997 nach Ziffer 5032 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) abgerechneten Leistungen keine Vergütung gewährt hat.
Der Kläger ist als Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Nach Maßgabe der von der - beigeladenen - Ärztekammer Niedersachsen erlassenen Weiterbildungsordnung ist der Kläger berechtigt, die Zusatzbezeichnung "Chirotherapie" zu führen. Am 05. Januar 1995 erteilte ihm die Beklagte die (mit Bescheid vom 03. Dezember 1997 ergänzte) Genehmigung zur Ausführung von Röntgenleistungen in der vertragsärztlichen Versorgung "in folgendem Umfang: Nasennebenhöhlen, Schädelteile in Spezialprojektionen, Nasenbein, Kehlkopf, Halswirbelsäule, entsprechend den Gebührenordnungsziffern 5010 - 5012, 5023, 5032, 5050 EBM."
Bis einschließlich zum Quartal III/1997 hat die Beklagte die Abrechnung der Gebührenziffer 5032 durch HNO-Ärzte nicht beanstandet. Im Hinblick auf das Urteil des 5. Senates des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. April 1997 - L 5 Ka 89/95 - revidierte die Beklagte diese Einschätzung und teilte allen HNO-Ärzten mit einem am 29. Oktober 1997 abgesandten Rundschreiben mit, daß Leistungen nach den Gebührenziffern 5030 - 5032 des EBM für diese Fachgruppe als fachfremd zu betrachten seien und daher nicht mehr vergütet werden könnten.
Im Quartal IV/1997 rechnete der Kläger fünfmal die - Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule vergütende - Gebührenziffer 5032 EBM ab. Drei d...