Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auslegung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides. Aufhebung vorläufig gewährter Leistungen. Auslegung als endgültige Festsetzung nach vorläufiger Festsetzung. keine Präjudizwirkung der Gründe des Vorläufigkeitsvorbehalts. kein Saldierungsverbot
Leitsatz (amtlich)
1. Die Auslegung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides kann im Einzelfall ergeben, dass es sich um eine endgültige Festsetzung nach vorläufiger Festsetzung der Leistungen nebst Rückforderung des überzahlten Betrages handelt, auch wenn der Bescheid dies nicht ausdrücklich erwähnt.
2. Eine vorläufige Entscheidung bewirkt keine Präjudizwirkung dergestalt, dass der endgültige Bescheid nur aus den ausdrücklich genannten Gründen der Vorläufigkeit von der vorläufigen Festsetzung abweichen dürfte.
3. Bei endgültiger nach vorläufiger Festsetzung der Leistungen gilt das Saldierungsverbot (Verrechnung von Überzahlungen in einzelnen Monaten mit zu geringen Leistungen in anderen Monaten) nicht, da die vorläufige Regelung als einstweilige Regelung insoweit keine Rechtssicherheit schaffen kann.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 6. Oktober 2011 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten der Beteiligten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die teilweise Rückforderung von vorläufig gewährten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch (SGB), Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2009.
Die 1967 geborene Klägerin zu 1. bezog seit 2008 in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Kindern, der 1998 geborenen Klägerin zu 2. und dem 2003 geborenen Kläger zu 3., sowie mit ihrem Ehemann, mit dem sie seinerzeit noch zusammenlebte, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Bestimmungen des SGB II. Die Familie bewohnte eine Wohnung in einem der Klägerin zu 1. und ihrem Ehemann jeweils zur ideellen Hälfte gehörenden Haus M., das über drei abgeschlossene Wohnungen verfügt, von denen eine vermietet und die andere im hier streitigen Zeitraum vom getrennt lebenden Ehemann der Klägerin genutzt worden war. Das Gesamtobjekt verfügt über eine Wohnfläche von ca. 240 qm, den Wert des Objekts hatte die Klägerin - bei einer zum 31. Dezember 2008 valutierenden Belastung i. H. von 168.040,67 € - mit ca. 240.000,00 € angegeben.
Die Rechtsvorgängerin des Beklagten bewilligte der Bedarfsgemeinschaft der Kläger und des Ehemannes der Klägerin zu 1. - in Form einer endgültigen Leistungsbewilligung - mit Bescheid vom 21. November 2008 insgesamt einen Leistungsbetrag in Höhe von monatlich 824,93 € für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 31. Mai 2009. Mit Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2008 wurden die Leistungen mit Wirkung für Februar bis Mai 2009 alsdann wegen der vorläufigen Anrechnung von Einkommen der Klägerin zu 1. auf insgesamt 518,94 € abgesenkt, ohne dass indes diese Regelung ausdrücklich als vorläufiger Bescheid ergangen wäre.
Am 30. Dezember 2008 legte die Klägerin zu 1. ein Schreiben ihrer Arbeitgeberin vor, wonach ihr Arbeitsverhältnis arbeitgeberseitig gekündigt worden war. Zudem teilte die Klägerin zu 1. am 6. Januar 2009 mit, sie und ihr Ehemann hätten sich getrennt; sie würden weiterhin im gemeinsamen Haus, nun aber in zwei getrennten Wohnungen wohnen.
Anschließend kam es zu weiteren Änderungsbescheiden vom 20. Januar 2009 in Bezug auf die Monate Februar bis Mai 2009 sowie vom 21. Januar 2009 in Bezug auf den Monat Januar 2009 wegen einer Einkommensnachberechnung. Mit Änderungsbescheid vom 30. Januar 2009 wurden die der Bedarfsgemeinschaft bewilligten Leistungen für die Monate März bis Mai 2009 erneut geändert, Grund war die Anrechnung von Unterhaltsvorschuss.
Eine am 27. Januar 2009 durchgeführte Überprüfung des Außendienstes ergab, dass der Ehemann der Klägerin tatsächlich in einer anderen Wohnung des Dreifamilienhauses wohnte.
Die Rechtsvorgängerin des Beklagten erließ wegen der Trennung der Eheleute am 11. Februar 2009 weitere Änderungsbescheide für den hier streitgegenständlichen Zeitraum, nunmehr getrennt in Bezug auf die Leistungen zugunsten des Ehemannes der Klägerin zu 1. einerseits und der Kläger andererseits, wobei die Leistungsbewilligungen nunmehr - erstmals - als vorläufig bezeichnet wurden. Als Grund der Vorläufigkeit wurden die unklaren Kosten der Unterkunft sowie die ebenfalls erklärte Aufteilung der Mieteinnahmen im Zusammenhang mit der kürzlich erfolgten Trennung genannt. Nach der Trennung der Eheleute legte die Rechtsvorgängerin des Beklagten für die Kläger eine neue Leistungsakte an und setzte mit dem vorgenannten Bescheid vom 11. Februar 2009 die den Klägern zustehenden Leistungen für Januar 2009 mit insgesamt 616,09 € und für Februar bis Mai 2009 mit insgesamt 705,49 € neu fest. Sie führte aus, aufgrund der Trennung würden bei der Klägerin zu 1. vorläufig die hälftigen Kosten und die hälft...