Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Plankrankenhaus. Versorgungsauftrag Kinder- und Jugendmedizin. Abgrenzung zur Kinder- und Jugendpsychiatrie. keine Erweiterung des Versorgungsauftrags durch Abschluss einer Entgeltvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Inhalt und Umfang des Versorgungsauftrags Kinder- und Jugendmedizin (KIN) ergibt sich für ein niedersächsisches Plankrankenhaus im Jahr 2015 aus dem Niedersächsischen Krankenhausplan 2015 iVm dem Bescheid zu seiner Durchführung (Feststellungsbescheid) und der geltenden Weiterbildungsordnung (WBO - juris: ÄWeitBiO ND) der Ärztekammer Niedersachsen.

2. Aus der gesonderten Ausweisung der Fachrichtungen Kinder- und Jugendmedizin (KIN) und Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) und ihrer Zuordnung zu somatisch bzw psychiatrisch im Krankenhausplan folgt, dass beide Fachrichtungen in Bezug auf die Ermittlung des Versorgungsauftrages voneinander abzugrenzen sind.

3. Die Abgrenzung ist nach dem Schwerpunkt der Behandlung vorzunehmen. Maßgeblich ist, welche Erkrankung im Vordergrund steht.

4. Der Abschluss einer Entgeltvereinbarung kann den Versorgungsauftrag eines Plankrankenhauses nicht erweitern. Ein Anspruch auf Vergütung von Krankenhausbehandlung außerhalb des Versorgungsauftrags kann nicht aus einer Entgeltvereinbarung nach § 11 KHEntgG abgeleitet werden.

 

Tenor

Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 9. März 2021 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 12.195,09 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die im Rahmen der Kinder- und Jugendmedizin durchgeführte stationäre psychosomatische Therapie vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst ist.

Die Klägerin betreibt in eigener Trägerschaft ein zugelassenes Plankrankenhaus (Klinikum der Stadt J.). Zur Klinik für Kinder- und Jugendmedizin gehört die Kinder- und Jugendpsychosomatik mit den beiden Stationen „Regenbogen“ und „Sonnenschein“. Leitender Arzt war von 1997 bis 2020 der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin Prof Dr K.; leitende psychologische Psychotherapeutin ist die Diplom Psychologin und Diplom Sozialpädagogin L..

Im Niedersächsischen Krankenhausplan für das Jahr 2015 werden unter Ziffer 1. „Grundlagen“ beschrieben. Unter Ziffer 1. III. „jährliche Fortschreibung des Krankenhausplanes“ heißt es in Satz 3:

„Der 30. Fortschreibung des Niedersächsischen Krankenhausplans (Stand 1.1.2015) liegen vier Elemente zugrunde:

1. Eine Bettenprognose nach Fachrichtungen (Gebiete der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen) auf Landesebene.

2.  …“

Unter Ziffer 3. werden Regelungen zum Krankenhausrahmenplan getroffen. Unter Ziffer 3.1 „Krankenhausplanbetten/ teilstationäre Plätze nach Fachrichtungen“ findet sich ein Abkürzungsverzeichnis. Dort ist die Kinder- und Jugendmedizin (KIN) dem Bereich „somatisch“ und die Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (KJP) dem Bereich „psychiatrisch“ zugeordnet. Im Krankenhausplan sind für die Klägerin Planbetten für den somatischen Bereich „Kinder- und Jugendmedizin“ (KIN) ausgewiesen, nicht aber für den Bereich „Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie“ (KJP). Ausweislich des Feststellungsbescheides vom 18. Dezember 2014 ist die Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 2015 in den Krankenhausplan als Plankrankenhaus nach § 108 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) mit 547 Betten aufgenommen worden. Die Verteilung der Betten ergibt sich aus dem anliegenden Krankenhausblatt, das Bestandteil des Bescheides ist. Dort werden für die Klägerin unter „Festlegung des Versorgungsauftrages“ für die Fachrichtung Kinderheilkunde (KIN) 44 Planbetten ausgewiesen. Für den Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie werden keine Planbetten oder teilstationären Plätze ausgewiesen. Zu den Fachrichtungen heißt es in der klein gedruckten Ergänzung: „Ein Versorgungsauftrag besteht nur, wenn für die jeweilige Fachrichtung Planbetten ausgewiesen sind.“

Mit Bescheid vom 6. Juni 2005 ließ das Landesprüfungsamt für Heilberufe den Bereich Psychosomatik der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Klägerin als gleichwertige psychiatrische Einrichtung gemäß § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (KJPsychTh-APrV) zu.

Die Klägerin hat mit den Sozialleistungsträgern bzw deren Arbeitsgemeinschaften jährlich eine Entgeltvereinbarung nach § 11 Abs 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) geschlossen. In § 14 der vom 1. Juli 2014 bis 30. Juni 2015 gültigen Entgeltvereinbarung für das Jahr 2014 heißt es:

„(1) Das Krankenhaus erfüllt die Mindestmerkmale zur Verschlüsselung und Abrechnung folgender OPS-Kodes: (2) OPS-Komplex-Kode (…) 9-402.0 Psychosomatische und Psychotherapeutische Komplexbehandlung bei Kindern und Jugendlichen, 9-402.1 integrierte klinisch-psychosomatische Komplexbehandlung bei Kindern und Jugendlic...

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