Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenerstattung. Schulterbewegungsschiene

 

Orientierungssatz

Zur Kostenerstattung einer selbstbeschafften Schulterbewegungsschiene durch die gesetzliche Krankenversicherung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 01.12.2011; Aktenzeichen B 3 KR 17/11 B)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 23. November 2010 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Schulterbewegungsschiene.

Der im Jahre 1959 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er litt an einem Impingement-Syndrom in der rechten Schulter, welches am 7. November 2007 durch den Orthopäden Dr. F. ambulant operiert wurde. Es wurde eine ausgedehnte Operation mit großzügiger Teilbursektomie sowie einer acromialen Dekompression und ergänzend eine Resektion des AC-Gelenkes durchgeführt.

Unter Vorlage einer Verordnung des Dr. F. vom 7. November 2007 und eines Kostenvoranschlages der Firma G. beantragte der Kläger am 8. November 2007 gegenüber der Beklagten die Gewährung einer Schulterbewegungsschiene (im Weiteren: CPM-Schiene, wobei CPM für continuous passive motion steht) für eine Mietzeit von 28 Tagen und einem Mietpreis von 680,20 €. Das Gerät wurde von dem Kläger in der Zeit vom 10. bis 23. November 2007 genutzt. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der medizinischen Überprüfung. Mit Stellungnahme vom 19. November 2007 führte Dr. H. aus, dass die beantragte Verordnung medizinisch nicht begründet sei. Notwendig sei vielmehr Krankengymnastik nach den Heilmittelrichtlinien und in Eigenverantwortung. Gestützt auf diese Feststellungen lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 20. November 2007 ab. Der Bescheid enthielt ferner den Hinweis: “Sollte diese Mitteilung zur Folge haben, dass sich der Leistungserbringer mit einer Rechnung an Sie wendet, so bitten wir Sie, diese nicht zu bezahlen und uns zu informieren.„

Der Kläger übersandte der Beklagten die Rechnung der Firma G. vom 28. Dezember 2007 über eine Mietdauer vom 10. bis 23. November 2007 zu einem Preis von 275,-- €. Die Rechnung beglich er am 17. März 2008 aus eigenen Mitteln. Gegen den ablehnenden Bescheid erhob er Widerspruch. Er habe erfahren, dass andere Kassen die Kosten übernähmen und sei daher mit der Ablehnung nicht einverstanden. Er habe bereits nach acht Wochen die Arbeit wieder aufgenommen und führe dies auf das Gerät zurück. Ergänzend überreichte er den Operationsbericht des Dr. F. Die Beklagte beauftragte den MDK mit der medizinischen Überprüfung. Dieser führte am 26. Februar 2008 durch Kurzstellungnahme von Dr. I. aus, dass sich keine neuen Aspekte ergäben. Mit Gutachten vom 31. März 2008 - erstellt durch K. J. - wurde dargelegt, dass weiterhin keine medizinische Indikation ersichtlich sei. Anhand von Studien sei kein Nutzen des Einsatzes von CPM-Schienen im häuslichen Bereich nachgewiesen. Zur individuell angepassten Mobilisierung sei krankengymnastische Übungsbehandlung als medizinisch vorrangig anzusehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte darin aus, dass es keinen Nachweis des therapeutischen Nutzens einer passiven Bewegungsschiene im häuslichen Bereich gäbe. Zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung seien motorisierte Schulterbewegungsschienen nicht verordnungsfähig.

Hiergegen hat der Kläger am 24. Juli 2008 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben. Der Einsatz der CPM-Schiene sei zur Wiederherstellung einer freien Funktionsfähigkeit des Schultergelenkes erforderlich gewesen. Da ein Patient die Schiene jederzeit zuhause benutzen könne, sei sie viel effektiver als die isolierte Durchführung von Krankengymnastik. Diverse Studien kämen auch zu dem Ergebnis, dass durch den Einsatz von CPM-Schienen signifikante Verbesserungen im Bewegungsapparat erreicht werden könnten. Die Therapie sei gegenüber anderen Behandlungsformen überlegen. Er hat auf eine Entscheidung des SG Stuttgart (S 8 KR 6021/08) verwiesen, wonach es sich bei fremdkraftbetriebenen Bewegungsschienen um Hilfsmittel i. S. d. gesetzlichen Krankenversicherung handele, auch wenn diese nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen seien. Er hat einen Zahlungsnachweis über die Mietkosten in Höhe von 275,-- € vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass es reiner Formalismus gewesen wäre, wenn er die Entscheidung der Beklagten zuvor abgewartet hätte. Es habe von vornherein festgestanden, dass die Beklagte die Leistung verweigern würde. Er habe sich dadurch gezwungen gesehen, die Leistung selbst zu beschaffen.

Durch Urteil vom 23. November 2010 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung der Mietkosten verurteilt. Es hat die Berufung zugelassen. Der Anspruch des Klägers ergebe sich unmittelbar aus § 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch ...

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