Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bedarfsgemeinschaft. nicht dauernd getrennt lebender Ehegatte. Aufgabe der häuslichen Gemeinschaft. Trennungswille. nicht bei Verbleib in der ehelichen Wohnung und Nichtbetreiben der Scheidung nach Ablauf der Trennungszeit von 3 Jahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eheleute leben in der gemeinsamen Ehewohnung nur dann dauernd getrennt, wenn zur Aufgabe der häuslichen Gemeinschaft der nach außen hin erkennbare Trennungswille wenigstens eines von ihnen hinzutritt. Ein Trennungswille wird nach außen hin nicht mehr erkennbar, wenn beide Eheleute über eine dreijährige Trennungszeit hinaus auf Dauer in der Ehewohnung verbleiben, ohne dass einer von ihnen die Scheidung der Ehe betreibt.

2. Die einvernehmliche Aufrechterhaltung eines dauernden Zustands der Trennung von Tisch und Bett unter Verheirateten in der gemeinsamen Ehewohnung entspricht einem die eheliche Gemeinschaft nicht vorsehenden Lebensmodell iS der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R = BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16).

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht einen Anspruch darauf geltend, von dem Beklagten über den 1. Oktober 2006 hinaus unterhaltssichernde Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - als Alleinstehender ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen seiner Ehefrau durch selbständigen Verwaltungsakt zugesprochen zu erhalten.

Der Kläger ist verheiratet und bewohnt gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Reihenhaus, in dem sie beide allerdings nach den Angaben des Klägers seit 2001 dauernd getrennt leben. Bis einschließlich September 2006 beschied der Beklagte die Leistungsansprüche des Klägers nach dem SGB II auf dieser Grundlage durch gesonderte Bescheide, in denen er den Kläger zudem als Alleinstehenden behandelte. Den Fortzahlungsantrag des Klägers für die Zeit ab 1. Oktober 2006 lehnte indessen der Beklagte mit Bescheid vom 21. September 2006 unter Hinweis darauf ab, dass der Kläger mit seiner Ehefrau eine Bedarfsgemeinschaft bilde, so dass die Leistungsgewährung künftig unter der Bedarfsgemeinschaft erfolgen werde. Ein entsprechender Änderungsbescheid sei seiner Ehefrau erteilt worden. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers, zu dessen Begründung er auf das Getrenntleben hinwies, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2007 zurück. Zur Begründung stützte er sich dabei in tatsächlicher Hinsicht auf folgende Umstände:

- In einem Schreiben vom 11. Juni 2006 habe die Ehefrau des Klägers diesen gegenüber dem Sozialgericht Braunschweig ausdrücklich als ihren Ehegatten bezeichnet,

- am 30. Mai 2006 habe die Ehefrau des Klägers mitgeteilt, dass sie und ihr "Ehemann" sich für ca. zwei Wochen auf Stellensuche ins Ausland begeben wollten,

- am 8. Juni 2006 habe der Kläger mitgeteilt, dass er sich mit seiner "Frau" 14 Tage zwecks Arbeitsuche in H. aufhalten wolle,

- mit einer Vollmacht vom 13. August 2006 habe der Kläger seine Ehefrau wie folgt bevollmächtigt: "Frau I. J. ist hiermit bevollmächtigt, für o. g. Herrn K. J. sämtliche Angelegenheiten mit der ARGE des Landkreises L. zu regeln. Dieses beinhaltet auch den Empfang ihm zustehender Gelder." Diese Vollmacht sei persönlich von der Ehefrau des Klägers abgegeben worden.

- Beide Eheleute unterhielten eine gemeinsame Privathaftpflichtversicherung,

- in einem gemeinsamen Presseinterview gegenüber dem "M. Blitz" hätten sich beide Eheleute als "Ehepaar" bezeichnet,

- mit einer Veränderungsanzeige vom 10. Oktober 2006 habe die Ehefrau des Klägers mitgeteilt, dass die Leistungen nach dem SGB II künftig auf das Konto N. bei der Volksbank O. gehen sollten; bei diesem Konto handele es sich um das Konto des Klägers.

In Würdigung dieser Umstände bestehe an der ehelichen Lebensgemeinschaft kein Zweifel.

Am 20. Februar 2007 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht, es lasse keine Rückschlüsse auf den Fortbestand der ehelichen Gemeinschaft zu, dass er und seine Ehefrau sich gegenseitig als Ehegatten bezeichnet hätten. Dies entspreche lediglich der Wahrheit, da sie noch verheiratet seien. Eine Scheidung unterbleibe lediglich aus Kostengründen. Die Stellensuche im Ausland betreffe ihre Bemühungen, gemeinsam an Hausmeisterstellen zu gelangen, die für Ehepaare ausgeschrieben seien. Diese Bemühungen seien völlig unabhängig davon, dass sie weiterhin getrennt von Tisch und Bett leben würden. Die Bevollmächtigung seiner Ehefrau sei ebenfalls aus Gründen der Kostenersparnis erfolgt, da jeder Besuch bei dem Beklagten Fahrgeld koste. Die Haftpflichtversicherung stamme noch aus der Zeit vor der Trennung. Da er sich aus finanziellen Gründen keine eigene Versicherung leisten könne, sei es dabei verblieben. Auch das Konto hätten er und seine Ehefrau aus Kostengründen zusammengelegt, da sich ab 1. Juli 2006 die Kontoführungsgebühren erhöht hätten. Hausbesuche, die der Beklagte am 21. Ma...

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