Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme einer stationären Liposuktionsbehandlung. Voraussetzung für Kostenerstattungsanspruch
Orientierungssatz
1. Eine Krankenkasse hat die Kosten einer stationären Liposuktionsbehandlung in einem zugelassenen Krankenhaus zu übernehmen.
2. Eine Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen setzt voraus, dass diese zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen haben (vgl BSG vom 12.9.2015 - B 1 KR 15/14 R = SozR 4-2500 § 27 Nr 27 RdNr 8).
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 24. September 2013 wird zurückgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu 2/3 zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein der Klägerin eine stationäre Liposuktionsbehandlung zusprechendes Urteil. Mit ihrer Anschlussberufung begehrt die Klägerin Kostenerstattung für den Teil der stationären Liposuktionsbehandlung, den sie sich auf eigene Kosten beschafft hat.
Die am 25. Juli 1967 geborene Klägerin leidet seit Beginn der 90er Jahre an geschwollenen Beinen. Neben Übergewicht und einer mehrfach operierten Hüftdysplasie leidet sie an den Beinen an einer deutlichen disproportionierten Fettverteilungsstörung mit Betonung der ventralen Oberschenkel und der medialen Knieregion. Es liegen Lipödeme an den Oberschenkeln und unterhalb des Knies vor. Sie leidet an Schmerzen, an einem andauernden Druckgefühl und gehäuft spontan auftretenden Blutergüssen. Ihre Beweglichkeit beim Gehen ist eingeschränkt.
Nachdem die Klägerin Lymphdrainagetherapien ohne Befundverbesserung in Anspruch genommen hatte und zwischenzeitlich medizinische Kompressionsstrümpfe bzw eine Kompressionsstrumpfhose getragen hatte, stellte sie sich in der J. vor.
Am 7. Juni 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage einer Stellungnahme von Prof. Dr. K. der L. vom 16. Dezember 2008 die Kostenübernahme für eine Liposuktionsbehandlung der Oberschenkel und der Knie beidseits. Prof. K. führte hierbei aus, dass neben einer durch Diäten und Sport zu behandelnden Adipositas ein initiales Lipödem der Beine auf dem Boden einer Lipohypertrophie bestehe, wobei die Fettreduktion bezüglich dieser Fettzellen durch Kalorienreduktion nicht zu erreichen sei. Bezüglich der krankhaften Fettvermehrung ließen sich durch konservative Maßnahmen keine Verbesserungen erzielen, weshalb entsprechend der aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie für das Lipödem eine Liposuktion sinnvoll sei.
In einem von der Beklagten veranlassten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) führte die Ärztin Dr. M. am 27. Juli 2009 aus, dass nicht lediglich eine klassische disproportionierte verteilte Lipohypertrophie, sondern auch eine Adipositas bestehe. Eine Liposuktion käme als ultima ratio bei praktisch therapieresistentem Lipödem in Einzelfällen in Frage. Sie sei vorliegend jedoch nicht ausreichend medizinisch indiziert. Konservative Behandlungsmaßnahmen seien zu intensivieren mit vor allem einer Gewichtsreduktion.
Mit Bescheid vom 18. August 2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, dass konservative Behandlungsmaßnahmen nicht ausgeschöpft seien. Es solle eine Gewichtsreduktion auf einen Body-Maß-Index (BMI) zumindest unter 30 kg/m² erfolgen. Darüber hinaus handele es sich bei der L. nicht um ein zugelassenes Vertragskrankenhaus, sondern um eine Privatklinik.
Die Klägerin erhob am 16. September 2009 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass alle möglichen konservativen Behandlungsmaßnahmen ausgeschöpft seien. Diverse Diäten auf ernährungsbewusster Grundlage sowie diverse kranken- und bewegungstherapeutischer Maßnahmen hätten keinen Erfolg gezeigt. Vielmehr sei es zu weiteren Gewichtszunahmen gekommen trotz Einhaltung der Ernährungsumstellung. Eine Liposuktion sei dringend erforderlich. Zur weiteren Begründung legte sie eine Stellungnahme von Prof. Dr. N. (Chefarzt der orthopädischen Klinik O.) vor, in der dieser ausführte, dass Lymphdrainagen ohne Erfolg durchgeführt worden seien, sodass eine operative Maßnahme der Liposuktion zur Entlastung der Gelenke erforderlich sei. Insbesondere für das linke Hüftgelenk sei eine Gewichtsreduktion dringend erforderlich, da sich auch hier eine entsprechende Arthrose zeige. Gleiches gelte für die Kniegelenke und für den Lendenwirbelsäulenbereich.
In einem weiteren Gutachten führte der MDK durch Dr. M. am 19. März 2010 aus, dass die angestrebte Liposuktion für eine nennenswerte Verminderung des Körpergewichts nicht sachdienlich sei. Es erhärte sich der Verdacht, dass ein verfehltes Verfahren zur Gewichtsreduktion gesucht würde. Dies sei durch eine Veränderung der Nahrungsaufnahme-/Verbrennungsbilanz vorzunehmen. Klassische Beschwerden eines veritable...