Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Vorschusszahlung des getrennt lebenden Ehegatten auf Zugewinnausgleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zahlungen des getrennt lebenden Ehepartners an den Leistungsberechtigten, welche im Hinblick auf einen künftigen Zugewinnausgleichsanspruch erfolgen, sind grundsicherungsrechtlich als Einkommen zu berücksichtigen.

2. Derartige Zahlungen sind auch nicht nach § 11a Abs 5 SGB II von der Berücksichtigung ausgenommen.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 26. Oktober 2018 wird geändert. Der Beklagte wird unter Änderung seines Bescheides vom 11. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2015 verurteilt, der Klägerin für Januar 2014 weitere Leistungen in Höhe von 15,23 € zu gewähren.

Im Übrigen wird Berufung zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungsansprüche der Klägerin nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis 31. Januar 2014 streitig, insbesondere die Anrechnung einer erhaltenen Zahlung in Höhe von 2.500 € als Einkommen.

Die 1990 geborene Klägerin stand nach der Trennung von ihrem Ehemann seit Mai 2013 im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II. Sie bewohnte mit ihrem 2012 geborenen Sohn eine Wohnung in M., für die eine Grundmiete von 320 € nebst Nebenkosten von 60 € und Heizkosten von 45 € (insgesamt 425 €) anfielen. Die Klägerin erzielte im streitbefangenen Zeitraum Einkommen aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis, wobei ihr im Dezember 2013 384,37 € (Arbeitsentgelt für November 2013) und im Januar 2014 380,96 € (Arbeitsentgelt für Dezember 2013) zuflossen. Für ihren Sohn erhielt die Klägerin Kindergeld in Höhe von 184 €, Unterhaltsvorschuss in Höhe von 133 € und Wohngeld in Höhe von 140 €.

Die für den Beklagten handelnde Gemeinde M. (nachfolgend einheitlich als Beklagter bezeichnet) bewilligte der Klägerin für den Bewilligungszeitraum vom 1. November 2013 bis 31. Januar 2014 - zum 1. Februar 2014 hatte die Klägerin den Zusammenzug mit ihrem Freund angekündigt - zunächst vorläufige Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 471,52 € monatlich (Bescheid vom 24. Oktober 2013). Bei der Berechnung der Leistungen ging der Beklagte davon aus, dass der Sohn der Klägerin seinen Bedarf durch Einkommen decken konnte. Am

31. Oktober 2013 ging auf dem Girokonto der Klägerin eine Überweisung in Höhe von 2.500 € ein. Diese stammte von den Käufern eines Hausgrundstücks, welches im Alleineigentum des getrenntlebenden Ehemannes stand und von den Eheleuten gemeinsam genutzt worden war. Zuvor hatten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin deren Ehemann aufgefordert, als Bedingung für die gemäß § 1365 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erforderliche Zustimmung der Klägerin zu dem Hausverkauf einen Betrag von 2.500 € als Vorauszahlung auf die Zugewinnausgleichsansprüche zu zahlen.

Mit dem im vorliegenden Verfahren angefochtenen, wiederum mit einem Vorläufigkeitsvorbehalt versehenen Änderungsbescheid vom 2. Dezember 2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin daraufhin für Dezember 2013 und Januar 2014 monatliche Leistungen in Höhe von 54,86 €, wobei er die erhaltene Zahlung von 2.500 € mit einem monatlichen Teilbetrag von 416,66 € (Aufteilung auf sechs Monate) anrechnete. Aufgrund der Erhöhung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2014 erteilte der Beklagte einen Änderungsbescheid vom 11. Dezember 2013, mit dem er für Januar 2014 nunmehr Leistungen in Höhe von 72,10 € bewilligte. Einen ausdrücklichen Vorläufigkeitsvorbehalt enthält dieser Bescheid nicht. Nach Vorlage der Lohnabrechnung für November 2013 erteilte der Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid vom 6. Januar 2014, mit dem unter Wegfall des bisherigen Vorläufigkeitsvorbehalts für Dezember 2013 nunmehr Leistungen in Höhe von 67,36 € bewilligte.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 2. Dezember 2012 Widerspruch ein, mit dem sie sich gegen die Anrechnung der erhaltenen Zahlung in Höhe von 2.500 € als Einkommen wandte und geltend machte, dass diese nach § 11a Abs. 5 SGB II nicht berücksichtigt werden dürfe, da der Ehemann zu dieser Zuwendung weder rechtlich noch sittlich verpflichtet gewesen sei. Es handele sich um eine “Vorabzahlung auf eine ggf. zu treffende Scheidungsfolgenvereinbarung, Zugewinnausgleichsansprüche oder aber auch Versorgungsausgleichsansprüche„. Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 2015, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 14. Juli 2015, wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, der Betrag von 2.500 € sei als einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten aufzuteilen und dementsprechend mit monatlichen Beträgen von 416,66 € anzurechnen gewesen. § 11a Abs. 5 SGB II stehe dem nicht entgegen, da die Anrechnung nicht grob unbillig sei. Auch sei die Lage der Klägerin durch die Zuwendung durchaus günstig beeinflusst worden.

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