Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. 3/5 Belegung. übertragende Rentenanwartschaften im Versorgungsausgleich. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Nach § 43 Abs 1 und 2 SGB 6 haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nur, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Das Erfordernis dieser Drei-Fünftel-Belegung ist grundsätzlich nicht verfassungswidrig (vgl BVerfG vom 8.4.1987 - 1 BvR 564/84 = BVerfGE 75, 78 = SozR 2200 § 1246 Nr. 142).

2. Die Versagung der Erwerbsminderungsrente wegen Fehlens der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (hier das Nichtvorliegen der Drei-Fünftel-Belegung) bei einer Übertragung von Rentenanwartschaften aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs einer Beamtin, bei der keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten vorhanden sind, ist nicht grundrechtswidrig.

3. Die im Wege des Versorgungsausgleichs übertragenen oder begründeten Rentenanwartschaften sind keine Beiträge für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit.

4. Beruhen die auszugleichenden Rentenanwartschaften schon bei dem ausgleichspflichtigen Ehegatten nicht auf Pflichtbeiträgen, ist es nicht zulässig, ihnen diese Eigenschaft allein durch Übertragung auf den Ausgleichsberechtigten im Wege des Versorgungsausgleichs zuzusprechen und sie mit Pflichtbeiträgen gleichzusetzen (vgl BSG vom 31.5.1983 - 4 RA 4/88 = BSGE 65, 107 = SozR 2200 § 1246 Nr 166).

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Erwerbsminderungsrente bzw. Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Streitig ist, ob die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen durch im Wege des Versorgungsausgleichs begründete Rentenanwartschaften erfüllt sind.  

Die 1944 geborene Klägerin absolvierte von 1965 bis 1968 an der Pädagogischen Hochschule J. ein Lehramtsstudium und war vom 1. April 1968 bis 31. Januar 2007 beamtete Lehrerin im öffentlichen Schuldienst. Sie war mit dem ebenfalls im öffentlichen Dienst als Richter tätigen K. verheiratet. Nach der Ehescheidung durch Urteil vom 29. April 1992 (Rechtskraft: 2. Juli 1992) wurden zur Regelung des Versorgungsausgleiches zu Lasten der Beamtenpension des Ehegatten zugunsten der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 421,80 DM begründet.

Die Klägerin leidet an einer Enddarmerkrankung und bei ihr ist durch das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie - Außenstelle J. zunächst ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 und mit Bescheid vom 22. November 2007 ein GdB von 100 festgestellt worden.

Die Klägerin war seit Anfang 2007 dienstunfähig und ist inzwischen in den Ruhestand versetzt worden. Aufgrund des Bescheides der Beklagten vom 13. Februar 2009 bezieht sie seit 1. April 2009 Regelaltersrente.

Die Klägerin beantragte am 16. März 2007 bei der Beklagten eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 236 a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. Juni 2007 ab, da die erforderliche Wartezeit von 35 Jahren (420 Kalendermonaten) nicht erfüllt sei. Statt der erforderlichen 35 Jahre (420 Kalendermonate) seien nur 352 Kalendermonate vorhanden. Mit Bescheid vom 25. Juni 2007 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten verbindlich fest.

Die Klägerin legte gegen beide Bescheide Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass ihr durch die Beklagte im Januar 2000 mitgeteilt worden sei, dass sie die Wartezeit für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt hätte. Die Beklagte hätte auch prüfen müssen, ob aufgrund der bei ihr vorliegenden schweren Erkrankung die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente vorgelegen hätten. Da für sie im Wege des Versorgungsausgleichs Beiträge entrichtet worden seien, müsse sie Personen gleichgestellt werden, die versicherungspflichtig seien.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2008 zurück. Die Voraussetzungen des § 236 a SGB VI lägen nicht vor. Die Klägerin hätte statt der erforderlichen Wartezeit von 35 Jahren (420 Kalendermonate) nur 352 Kalendermonate zurückgelegt.

Auch die Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Nach §§ 43 Abs 1 und 2 SGB VI würden Versicherte Rente wegen Erwerbsminderung erhalten, die teilweise oder voll erwerbsgemindert seien und in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet hätten, wenn die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der Erwerbsminderung erfüllt sei. Der Zeitraum von 5 ...

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