Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Bewilligung von Erwerbsminderungsrente bei durch Versorgungsausgleich übertragenen Rentenanwartschaften

 

Orientierungssatz

1. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zur Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente sind nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB 6 erfüllt, wenn der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung die Entrichtung von Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit für die Dauer von drei Jahren nachweisen kann.

2. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß.

3. Beruht die Rentenanwartschaft nicht auf Eigenleistungen des Versicherten, sondern ist sie im Zuge des Versorgungsausgleichs begründet worden, so fehlt es am hinreichend personalen Bezug zwischen der Beitragsleistung des Versicherten und der später an seine Hinterbliebenen geleisteten Rente (BVerfG Beschluss vom 18. 2. 1998, 1 BvR 1318/86).

4. Liegt ein Totalentzug des Anspruchs auf eine Erwerbsminderungsrente vor, weil eine Versicherte aufgrund ihrer Stellung als Beamtin keine Möglichkeit hat, die 3/5-Belegung zu erfüllen, so führt dies nach der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Regelung.

5. Hat die Beamtin aber einen vergleichbaren Anspruch im Rahmen der Beamtenversorgung, so ist der Entzug des Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente gerechtfertigt.

6. Wartezeitmonate aus dem Versorgungsausgleich stellen keine rentenrechtlichen Zeiten i. S. von § 54 SGB 6 dar.

7. Versorgungsausgleichszeiten sind keine Beitragszeiten für die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB 6 (BSG Urteil vom 25. 11. 1998, B 10 LW 5/98 R).

8. Die Leistungsträger sind nach § 13 SGB 1 verpflichtet, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über ihre Rechte und Pflichten nach dem SGB aufzuklären. Diese Aufklärungspflicht begründet kein subjektives Recht des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger. Aus ihrer Verletzung ergibt sich deshalb kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.07.2018; Aktenzeichen B 5 R 111/18 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 21.7.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Im Fokus steht dabei, ob der Klägerin im Wege eines Versorgungsausgleichs übertragene Rentenanwartschaften als "mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit" belegte Zeiten im Sinne des § 43 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI gelten, soweit die bei der Klägerin festgestellte Dienstunfähigkeit einer Erwerbsminderung gleichzusetzen wäre.

Die im Jahre 1958 geborene Klägerin ist 1977 vom Land Nordrhein-Westfalen zur Regierungsinspektoranwärterin ernannt und gleichzeitig in das Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen worden, war dann bei der Bezirksregierung in E tätig, 1980 erfolgte die Ernennung zur Regierungsinspektorin zur Anstellung unter gleichzeitiger Ernennung zur Beamtin auf Probe und 1985 die Verleihung der Eigenschaft einer Beamtin auf Lebenszeit.

Im Jahr 1978 heiratete die Klägerin einen Pfarrer, der eine Besoldung und Versorgung nach kirchenrechtlichen Grundsätzen erhielt bzw. erhält; die Ehe wurde am 18.02.2003 durch das Amtsgericht E geschieden; die Anwartschaften des geschiedenen Ehemannes bei der Gemeinsamen Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte wurden nach § 1587a Absatz 2 Nr. 1 BGB bewertet; zu Lasten der Versorgung des Ehemanns bei der Gemeinsamen Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte wurden nach § 1587b Absatz 2 BGB durch Quasi-Splitting auf einem bei der gesetzlichen Rentenversicherung einzurichtenden Versicherungskonto der Klägerin Rentenanwartschaften von monatlich 497,84 EUR bezogen auf den 31.07.2002 begründet.

Seit dem 28.07.2003 ist die Klägerin wieder verheiratet.

2013 fragte die Klägerin anlässlich des Erhalts einer Rentenauskunft vom 17.06.2013 bei der Beklagten an, inwiefern bei ihr die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht erfüllt seien, wie sie der Rentenauskunft habe entnehmen können. Nach Erhalt des informatorischen Schreibens der Beklagten vom 14.08.2013, dass bei der Klägerin infolge von 290 vorhandenen Kalendermonaten aus dem Versorgungsausgleich die allgemeine Wartezeit erfüllt sei, jedoch nicht die sog. 3/5-Belegung, weil in den fünf Jahren vor 2013 (dem Datum der Rentenauskunft) keine Monate mit Pflichtbeiträgen vorhanden seien, erwiderte die Klägerin, ihre Versorgung beruhe auf beamtenversorgungsrechtlichen Grundsätzen des Landes NRW; der ihr zustehende Versorgungsausgleich basiere auf beamtenrechtlichen Grundsätzen der Lippischen Landeskirche; da beide Versorgungsgrundsätze nichts mit dem SGB zu tun hätten, sei fragl...

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