Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. Entschädigungsanspruch kein höchstpersönlicher Schmerzensgeldanspruch und keine zweckgebundene Leistung im Sinne von § 11a SGB 2. Berücksichtigung als Einkommen beim Arbeitslosengeld II. sofortiger Anspruchsübergang auf den Grundsicherungsträger. Erhebung der Verzögerungsrüge nicht anspruchsbegründend. Wegfall der Aktivlegitimation des Entschädigungsklägers. Höhe des Anspruchsübergangs. sozialgerichtliches Verfahren. PKH-Bewilligung als aktive Förderung des Hauptverfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Geldentschädigung gem § 198 Abs 1 GVG wegen der überlangen Dauer eines gerichtlichen Verfahrens stellt Einkommen im Sinne von § 11 Abs 1 SGB II dar. Der Entschädigungsanspruch eines Beziehers von ALG II geht daher bei Gleichzeitigkeit der Zeiträume der entschädigungspflichtigen Überlänge und der Leistungserbringung nach dem SGB II gem § 33 Abs 1 S 1 SGB II in Höhe der gewährten Leistungen auf den Leistungsträger über.
2. Der Zeitpunkt der nach § 198 Abs 3 GVG erforderlichen Verzögerungsrüge ist auf die Gleichzeitigkeit der Zeiträume der entschädigungspflichtigen Überlänge und der Leistungserbringung nach dem SGB II ohne Einfluss.
3. Der Anspruchsübergang führt zum Wegfall der Aktivlegitimation des Leistungsberechtigten für eine Entschädigungsklage.
Orientierungssatz
1. Wegen des in § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 angelegten Enumerationsprinzips verbietet sich eine den Anwendungsbereich der Ausnahmen erweiternde Auslegung ebenso wie eine Analogie (vgl BSG vom 5.9.2007 - B 11b AS 49/06 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 7).
2. Die Regelung des § 40 Abs 4 S 1 SGB 2 zur Beschränkung der Erstattungsforderung im Hinblick auf die Unterkunftskosten ist nicht auf den Anspruchsübergang nach § 33 Abs 1 SGB 2 auszudehnen.
3. Es erscheint offen, ob die durch den Anspruchsübergang begünstigten Leistungsträger den Entschädigungsanspruch in ähnlichem Umfang geltend machen, wie die von der Überlänge eines Gerichtsverfahrens betroffenen Leistungsempfänger es tun würden. Um den Anspruch auf Entschädigung immaterieller Nachteile einer überlangen Dauer von Gerichtsverfahren von der Einkommensanrechnung auszunehmen, bedarf es indessen eines konstitutiven Tätigwerdens des Gesetz- oder Verordnungsgebers.
4. Der Monat der Entscheidung über den PKH-Antrag ist trotz der Eigenständigkeit des PKH-Verfahrens dann nicht von einer Untätigkeit des Gerichts geprägt gewesen, wenn die PKH-Bewilligung wesentlich auf einer Bearbeitung der streitgegenständlichen Tatsachen- und Rechtsfragen des betreffenden sozialgerichtliche Verfahrens durch das SG beruhte und insofern auch der Förderung des Klageverfahrens diente.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welcher Höhe der Beklagte dem Kläger eine Entschädigung wegen der überlangen Dauer des bei dem Sozialgericht Oldenburg zunächst zum Aktenzeichen S 49 AS 305/12 geführten und später dem Verfahren S 49 AS 304/12 hinzuverbundenen Klageverfahrens zu gewähren hat.
In jenem Verfahren wandte sich der Kläger gegen einen Bescheid des Jobcenters X. vom 4. Januar 2012 in der Gestalt des zugehörigen Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2012, mit welchem sein Antrag auf Änderung eines die ihm für den Monat Januar 2010 zustehenden unterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB II endgültig festsetzenden Bescheides vom 5. Februar 2010 abgelehnt worden war.
Die Klage wurde am 28. Februar 2012 erhoben und am 27. Juni 2012 begründet. Die Klageerwiderung des Jobcenters X. ging am 7. September 2012 bei dem SG ein. Hierauf erwiderte der Kläger am 13. September 2012. Mit Beschluss vom 24. Oktober 2013 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt. Mit weiterem Beschluss vom gleichen Tage wurde das Verfahren mit dem Verfahren S 49 AS 304/12 verbunden. Nachdem bis dahin keine weiteren verfahrensfördernden Maßnahmen erfolgt waren, erhob der Kläger in dem nunmehr führenden Verfahren S 49 AS 304/12 am 21. August 2014 Verzögerungsrüge. Im Januar 2015 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. Februar 2015 anberaumt. An diesem Tag wurde das Verfahren durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs beendet.
Der Kläger hat am 15. Juli 2015 bei dem erkennenden Gericht beantragt, ihm für die Durchführung einer beabsichtigten Klage, mit der eine angemessene Entschädigung für die überlange Dauer des Verfahrens S 49 AS 305/12 von vorläufig 2.900 € begehrt werden solle, Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Zur Begründung hat er geltend gemacht, eine Verfahrensförderung durch das Sozialgericht sei zwischen dem 13. September 2012 und dem 19. Februar 2015 über einen Zeitraum von 29 Monaten nicht erfolgt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 14. April 2016 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat er im Einzelnen dargelegt, dass sich zwar - unter Berücksichtigung einer dem Sozialgericht nach der Rechtsprechung des BSG zuzubilligenden allgemeinen Überlegungsfris...