Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. gesetzlicher Übergang des Entschädigungsanspruchs auf den Grundsicherungsträger. Wegfall der Aktivlegitimation des Entschädigungsklägers. sozialgerichtliches Verfahren. kein Rechtsmissbrauch bei alleinigem Zuwarten des Klägers vor Erhebung der Verzögerungsrüge ohne gerichtliche Aktivität. PKH-Bewilligung als aktive Förderung des Hauptverfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Geldentschädigung gem § 198 Abs 1 iVm Abs 3 S 1 und 3 GVG wegen der überlangen Dauer eines gerichtlichen Verfahren stellt Einkommen im Sinne von § 11 Abs 1 SGB II dar. Der Entschädigungsanspruch eines Beziehers von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes geht daher bei Gleichzeitigkeit der Leistungserbringung und dem Entstehen des Entschädigungsanspruches gem § 33 Abs 1 S 1 SGB II auf den Leistungsträger über. Dies hat den Wegfall der für eine Entschädigungsklage erforderlichen Aktivlegitimation des Leistungsberechtigten zur Folge.
2. Bei der Entschädigung von immateriellen Nachteilen gem § 198 GVG handelt es sich nicht um eine zweckgebundene Leistung im Sinne von § 11a Abs 3 SGB II.
3. Der Entschädigungsanspruch entsteht nicht erst mit Erhebung der Verzögerungsrüge, sondern bereits mit der Erfüllung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen (jeweiliger Monat einer zu entschädigenden überlangen Verfahrensdauer).
Orientierungssatz
1. Dem diesbezüglich eine andere Ansicht zumindest in Erwägung ziehenden 10. Senat des LSG Celle-Bremen vom 28. April 2016 - L 10 SF 22/15 EK AS folgt der erkennende Senat nicht, sondern hält insoweit an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl LSG Celle-Bremen vom 22.9.2016 - L 15 SF 21/15 EK) fest.
2. Allein ein passives Zuwarten des Klägers führt angesichts der grundsätzlichen Fristungebundenheit der Verzögerungsrüge nicht zu deren Unwirksamkeit wegen Rechtsmissbrauchs (Abgrenzung zu LSG Celle-Bremen vom 12.5.2016 - L 15 SF 58/15 EK AS und vom 30.9.2016 - L 15 SF 4/16 EK AS).
3. Auch der Monat der Entscheidung über einen PKH-Antrag in einem eigenständigen PKH-Verfahren ist als Aktivitätszeit zu bewerten, wenn die PKH-Entscheidung wesentlich auf einer Bearbeitung der streitgegenständlichen Tatsachen- und Rechtsfragen des betreffenden sozialgerichtliche Verfahrens durch das Gericht beruht und insofern auch der Förderung des Klageverfahrens dient.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.800 € festgesetzt
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welcher Höhe der Beklagte den Klägern eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des bei dem Sozialgericht (SG) Oldenburg zum Aktenzeichen S 43 AS 821/12 geführten Klageverfahrens zu gewähren hat.
In jenem Verfahren wandten sich die Kläger, laufend im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) stehende Eheleute, gegen einen Bescheid des Jobcenters K. vom 22. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2012, mit welchem ihnen gegenüber im Rahmen der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit von Mai bis Oktober 2012 die Übernahme von Kreditzinsen als Aufwendungen für die Unterkunft abgelehnt worden war.
Die Klage wurde am 4. Juni 2012 vor dem SG erhoben und am 27. August 2012 begründet. Die Klageerwiderung des Jobcenters K. ging am 6. November 2012 bei dem SG ein. Nach Aufforderung des Gerichts mit Schreiben vom 8. November 2012 und zweimaliger Erinnerung (vom 12. Dezember 2012 und vom 10. Januar 2013) äußerten sich die Kläger hierauf mit Schriftsatz vom 27. Juni 2013. Auf weitere Nachfrage des Gerichts vom 3. Juli 2013 zur Aufschlüsselung der geltend gemachten Unterkunftskosten antworteten sie mit Schriftsatz vom 13. August 2013. Der Beklagte äußerte sich hierauf mit Schriftsätzen vom 30. August 2013 (Eingang beim SG am 3. September 2013) und - nach Erinnerung des Gerichts vom 14. Oktober 2013 - vom 16. Dezember 2013. Die Kläger replizierten mit Schriftsatz vom 14. Januar 2014, woraufhin das SG dem Beklagtem mit gerichtlicher Verfügung vom 20. Januar 2014 eine Frist zur freigestellten Stellungnahme von zwei Monaten einräumte. Mit Beschluss vom 6. März 2014 bewilligte das SG den Klägern sodann Prozesskostenhilfe (PKH). Nachdem bis dahin keine weiteren verfahrensfördernden Maßnahmen erfolgt waren, erhoben die Kläger am 4. Dezember 2014 Verzögerungsrüge. Im August 2015 erging ein richterlicher Hinweis zur Sach- und Rechtslage, auf den die Kläger mit Schriftsatz vom 11. September 2015 und der Beklagte mit Schriftsätzen vom 9. Oktober 2015 und vom 12. November 2015 Stellung nahmen. Nach weiterer Nachfrage des SG vom 22. Januar 2016 und gerichtlichem Hinweis vom 7. März 2016 erfolgte schließlich im April 2016 die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. April 2016, in der das Verfahren durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs beendet wurde.
Die Kläger haben am 14. Septembe...