Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Impfschaden. ASIA-Syndrom. ursächlicher Zusammenhang. keine haftungsrechtliche Beweislastumkehr. Aluminiumhydroxid. Kannversorgung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung des EuGH vom 21.6.2017 (C-621/15 = NJW 2017, 2739) gibt keinen Anlass von der feststehenden Rechtsprechung im Impfschadensrecht zur Kausalität abzuweichen.
2. Derzeit liegen in der Wissenschaft keine überzeugenden Hinweise für eine aluminiumbedingte Toxizität von Impfungen vor. Impfbedingte neurologische Schadensvermutungen beim Menschen durch das Adjuvans Aluminium sind daher (bisher) reine Spekulation.
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. November 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Die im März 1992 geborene Klägerin wurde am 18. März und am 6. Mai 2008 mit dem Wirkstoff Gardasil sowie am 1. April 2008 mit den Wirkstoffen Meningitec und Repevax geimpft. Spätestens im Mai 2008 entwickelten sich bei ihr Symptome einer neurologischen Erkrankung, die unter anderem zu Paresen der Beine mit Schwerpunkt rechts führten. Die Klägerin wurde zunächst orthopädisch behandelt und begab sich sodann in die Behandlung der neurologischen Abteilung des Klinikums H.. Residuen dieser Erkrankung liegen bei der Klägerin bis zum heutigen Tage vor.
Die Klägerin beantragte im April 2009 bei dem beklagten Land, ihr Beschädigtenversorgung nach dem IfSG zu gewähren. Sie führte die bei ihr nunmehr vorliegende Erkrankung auf die Impfungen zurück.
Das beklagte Land leitete Ermittlungen ein und zog umfangreich Befund- und Entlassungsberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte und Kliniken bei; insbesondere vom Klinikum H. und aus dem St. I. -Hospital in J.. In beiden Kliniken hatte sich die Klägerin zur Untersuchung und Behandlung stationär aufgehalten. In beiden neurologischen Kliniken war jeweils ein Zusammenhang der Erkrankung mit den angeschuldigten Impfungen für möglich gehalten worden, beziehungsweise sei dies nicht auszuschließen.
Sodann veranlasste das beklagte Land die Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den Neurologen Professor Dr. K.. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 26. Februar 2010 nach Untersuchung und Befragung der Klägerin im Wesentlichen zu dem Ergebnis, trotz intensiver Untersuchungen sei es bisher nicht gelungen, eine Ursache der neurologischen Erkrankung der Klägerin zu ermitteln. Klar sei, dass es sich um eine Form der Polyneuropathie handele. Bei diesen Erkrankungen sei es in 30 % der Fälle aufgrund des derzeitigen Erkenntnisstandes der Wissenschaft nicht möglich, eine Ursache der Erkrankung zu ermitteln. Soweit die Behandler der Klägerin im St. I. -Hospital in J., die bei der Behandlung und Erforschung derartiger Erkrankungen führend seien, der Auffassung seien, es handle sich am ehesten um Folgen einer Gefäßentzündung (Vaskulitis) sei auch dies letztlich nicht bewiesen. Wissenschaftlich könne nicht ausgeschlossen werden, dass es einen Ursachenzusammenhang zwischen den angeschuldigten Impfungen und der Erkrankung der Klägerin gebe. Es gebe aber eben auch nicht die Möglichkeit zu zeigen, dass dieser Ursachenzusammenhang wahrscheinlich sei - auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sogenannten „Kann-Versorgung.“
Daraufhin lehnte das beklagte Land nach Beteiligung seines versorgungsmedizinischen Dienstes mit hier angefochtenem Bescheid vom 22. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2010 die Feststellung von Schädigungsfolgen sowie die Gewährung von Beschädigtenrente ab.
Am 1. September 2010 ist Klage erhoben worden.
Das Sozialgericht (SG) Osnabrück hat weitere medizinische Unterlagen beigezogen und sodann den Neurologen Professor Dr. L. mit der Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beauftragt. Dieser ist nach eingehender Untersuchung der Klägerin und Beiziehung von zwei Zusatzgutachten in seinem Gutachten vom 12. Juni 2014 zu dem Ergebnis gelangt, die von der Klägerin zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Gesundheitsstörungen seien auf die durchgeführten Impfungen zurückzuführen. Es sei vertretbar gewesen, die Impfungen durchzuführen. In der medizinischen Vorgeschichte der Klägerin fänden sich keine Hinweise auf relevante Vorerkrankungen. In der wissenschaftlichen Literatur fänden sich Hinweise darauf, dass derartige Erkrankungen nach Impfungen aufträten. Es sei ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30 festzustellen.
Dem Gutachten ist das beklagte Land durch Stellungnahmen seines versorgungmedizinischen Dienstes (Dr. M.) entgegengetreten.
Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts eine Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) vom 29. September 2015 beigezogen (Professor Dr. N. /Dr. O.). Darin wird berichtet, dem PEI seien keine klinischen Studien zu...