Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitgegenstand. Folgebescheid. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Zugehörigkeit eines minderjährigen Kindes zur Bedarfsgemeinschaft. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld und Unterhaltsleistungen. Absetzung von Pauschbeträgen. Ermächtigungskonformität
Leitsatz (amtlich)
1. Die Einbeziehung weiterer Bescheide gemäß § 96 Abs 1 SGG setzt voraus, dass sie den ursprünglich angefochtenen Bescheid tatsächlich abändern oder ersetzten. Sie werden auch dann nicht kraft Gesetzes zum Gegenstand des Verfahrens, wenn sie ein streitiges Rechtsverhältnis regeln, welches "im Kern" dieselbe Rechtsfrage wie der streitige Bescheid betrifft und sich an den von diesem erfassten Zeitraum anschließen (Abgrenzung zu BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 57/04 R).
2. Bei der Prüfung, ob ein minderjähriges unverheiratetes Kind zur Bedarfsgemeinschaft gehört, ist dessen Bedarf sowie sein Einkommen und Vermögen wie bei einem Leistungsberechtigten zu ermitteln.
3. Bei Unterhaltsleistungen und Kindergeld handelt es sich um Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB 2, von dem Absetzungen nach Abs 2 S 1 der Vorschrift vorgenommen werden dürfen. Gleiches gilt für die Pauschbeträge nach der AlgIIV.
4. Bei der Ermittlung des Einkommens eines minderjährigen Kindes ist das Kindergeld als letztes zu berücksichtigen. Das nach Absetzung der maßgebenden Beträge (§ 11 Abs 2 SGB 2, § 3 AlgIIV) den Bedarf überschreitende Kindergeld ist Einkommen des Kindergeldberechtigten.
5. Pauschbeträge nach § 3 AlgIIV sind nur bis zur Höhe des Einkommens zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
Die Bestimmung des § 3 Nr 1 AlgIIV ist ermächtigungskonform (Verordnungsermächtigung § 13 S 1 Nr 3 SGB 2.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 23. August 2005 sowie der Bescheid der Agentur für Arbeit F. vom 30. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005, dieser in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31. März und 28. September 2005, geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 2005 unter Berücksichtigung eines weiteren Absetzungsbetrages in Höhe von 4,58 € monatlich zu zahlen (Zahlbetrag monatlich 605,40 €).
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April 2005 streitig, insbesondere die Berücksichtigung von Pauschgebühren für Versicherungsbeiträge.
Die 1950 geborene alleinstehende Klägerin lebt mit ihrem 1992 geborenen Sohn G. zusammen. Sie erhielt bis Oktober 2002 Arbeitslosengeld und im Anschluss daran Arbeitslosenhilfe. Der unterhaltspflichtige Kindesvater zahlt für G. Unterhalt in Höhe von 307,00 €, außerdem erhält die Klägerin Kindergeld in Höhe von 154,00 €.
Am 11. Oktober 2004 beantragte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II. Sie machte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 429,07 € monatlich geltend sowie einen monatlichen Beitrag zu einer privaten Rentenversicherung in Höhe von 34,48 €.
Die Agentur für Arbeit F. (insoweit als Funktionsvorgängerin für die Beklagte handelnd) bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 30. November 2004 Leistungen nach dem SGB II vom 1. Januar bis zum 30. April 2005 in Höhe von 540,27 € monatlich, bestehend aus dem Regelsatz für die Klägerin und ihren Sohn sowie aus dem Mehrbedarf für Alleinerziehung (345,00 € + 207,00 € + 41,00 €) abzüglich Unterhaltsleistungen und Kindergeld (307,00 € + 154,00 €) zzgl. Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 408,27 € (350,00 € Miete, 23,07 € Nebenkosten und 35,20 € Heizung). Der Widerspruch der Klägerin, in dem diese insbesondere die nicht nachvollziehbare Berechnung der Leistungen bemängelte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005).
Die Klägerin hat am 21. März 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben und die Auffassung vertreten, G. gehöre als nicht Bedürftiger nicht zu ihrer Bedarfsgemeinschaft. Ihre private Rentenversicherung müsse bedarfserhöhend berücksichtigt und für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft eine Versicherungspauschale von 30,00 € angesetzt werden. Während des Klageverfahrens hat sich die Klägerin außerdem direkt an die Beklagte gewandt und um Überprüfung des Bewilligungsbescheides hinsichtlich der Versicherungspauschale, ihrer KFZ-Versicherung (29,77 € monatlich) und der bisher nicht beachteten Kosten für die Wasserversorgung gebeten. Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 31. März 2005 weitere 13,00 € für die Wasserversorgung als Kosten der Unterkunft anerkannt und mit Schreiben an das SG mitgeteilt, dass sie beabsichtige, bei der Klägerin einen Versicherungspauschbetrag von 30,00 € in Abzug zu bringen.
Mit Gerichtsbesch...