Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Gerichtsbescheid. unstatthafter Antrag auf mündliche Verhandlung. Wirkung. Entscheidung durch Beschluss

 

Leitsatz (amtlich)

Ein zwar rechtzeitig gestellter, aber gemäß § 105 Abs 2 S 2 SGG unstatthafter Antrag auf mündliche Verhandlung, bewirkt nicht, dass der Gerichtsbescheid als nicht ergangen gilt (§ 105 Abs 3 Halbs 2 SGG). Über einen derartigen Antrag hat das Sozialgericht durch Beschluss zu entscheiden.

 

Tenor

Die Berufung wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Oldenburg vom 17. Februar 2017, mit welchem dieses den Antrag des Klägers auf mündliche Verhandlung nach Erlass eines Gerichtsbescheides zurückgewiesen hat.

Der 1992 geborene Kläger steht im laufenden Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten. Mit Bescheid vom 23. Juli 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger und den weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von August 2015 bis Januar 2016, wobei er bei dem Kläger für die Monate August 2015 bis Oktober 2015 eine mit Bescheid vom 10. Juli 2015 festgestellte Minderung des Leistungsanspruchs berücksichtigte.

Das SG wies seine auf die Auszahlung von weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 960 € gerichtete allgemeine Leistungsklage mit Gerichtsbescheid vom 21. November 2016 ab und belehrte den Kläger darüber, dass gegen den Gerichtsbescheid die Berufung zulässig sei. Der Gerichtsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23. November 2016 zugestellt. Dieser beantragte beim SG am 14. Dezember 2016 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Berufung gegen den Gerichtsbescheid wurde nicht eingelegt. Auf einen Hinweis des SG vom 15. Dezember 2016, dass gegen den Gerichtsbescheid aufgrund des Beschwerdewertes entsprechend der erfolgten Rechtsmittelbelehrung die Berufung statthaft sein dürfte, erfolgte keine Reaktion. Mit Beschluss vom 17. Februar 2017 hat das SG den Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgewiesen und den Kläger dahingehend belehrt, dass gegen den Beschluss die Beschwerde an das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen gegeben sei. Zur Begründung hat  es ausgeführt, dass der Antrag unzulässig sei, weil gegen den Gerichtsbescheid das Rechtsmittel der Berufung gegeben gewesen sei. Der Antrag auf mündliche Verhandlung als Rechtsbehelf könne nur gestellt werden, wenn die Berufung nicht statthaft sei. Gemäß § 143  i. V. m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei die Berufung gegen ein Urteil das statthafte Rechtsmittel, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 € übersteige. Der Kläger habe mit seiner Klage die Auszahlung von monatlich 320 € Regelbedarf für die Monate August, September und Oktober 2015 begehrt (insgesamt 960 €), so dass die Beschwer des Klägers den Wert für eine zulassungsfreie Berufung übersteige.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 22. Februar 2017 zugestellten Beschluss hat der Kläger ohne Begründung am 16. März 2017 Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG Oldenburg vom 17. Februar 2017 aufzuheben und festzustellen, dass der Gerichtsbescheid vom 21. November 2016 als nicht ergangen gilt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist unzulässig, da sie nicht statthaft ist.

Gegen den Beschluss des SG vom 17. Februar 2017 war gemäß § 172 Abs. 1 SGG die Beschwerde statthaft. Danach findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Das SG hat den Antrag auf mündliche Verhandlung zu Recht durch Beschluss zurückgewiesen, da der Antrag auf mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid nicht statthaft war.

Gemäß § 105 Abs. 2 SGG können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids das Rechtsmittel einlegen, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Ist die Berufung nicht gegeben, kann mündliche Verhandlung beantragt werden. Wird sowohl ein Rechtsmittel eingelegt als auch mündliche Verhandlung beantragt, findet mündliche Verhandlung statt. Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen, § 105 Abs. 3 SGG.

Soweit in Rechtsprechung...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge