Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. kieferorthopädische Behandlung. Altersgrenze. 18. Lebensjahr. Behandlungsplan. Kieferanomalie
Orientierungssatz
1. Der Beginn einer kieferorthopädischen Behandlung bestimmt sich durch den Zeitpunkt der Aufstellung des kieferorthopädischen Behandlungsplans, auch wenn die eigentliche Behandlung erst danach beginnt und wichtige Vorbereitungshandlungen schon vor diesem Zeitpunkt liegen sollten. Dem Behandlungsplan kommt vor dem Hintergrund der in § 28 Abs 2 SGB 5 geregelten Altersgrenze nicht nur eine zahnmedizinische, sondern darüber hinaus eine anspruchsbegründende Bedeutung zu (vgl ua BSG vom 25.3.2003 - B 1 KR 17/01 R = BSGE 91, 32 = SozR 4-2500 § 28 Nr 1).
2. Das Vorliegen einer Kieferanomalie, die einen Schweregrad erreicht hat, der kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert, ist bei einer Retrogenie nicht anzunehmen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 12. März 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zur Erstattung der Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung des Klägers zu 1. in der Zeit von März 1993 bis September 1994 verpflichtet ist.
Der im Februar 1971 geborene Kläger zu 1. war im fraglichen Zeitraum über seinen Vater, den Kläger zu 2., bei der Beklagten familienversichert. Er litt an einer ausgeprägten mandibulären Retrognathie (Wachstumdefizit des Unterkiefers) mit zusätzlicher Retrogenie (Zurückweichen des Unterkiefers). Nachdem sich der Kläger zu 1. offenbar bereits in der Kindheit verschiedentlich kieferorthopädischen Behandlungen unterzogen hatte, suchte er am 29. Oktober 1991 die Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie des Krankenhauses (ZKH) S-J-Strasse auf. Nach dem Bericht des Direktors dieser Klinik Prof. Dr. Dr. K vom 3. Januar 1993 ließen die Okklusionsstörungen (Störungen des Kontaktes zwischen Zähnen des Ober- und Unterkiefers) mit Zahnengstand damals den normalen Lippenschluss in Ruhe nicht zu, da die Oberkieferfrontzähne auf der Unterlippe ruhten. Die Zahnstellungsanomalie lasse die Entwicklung einer Parodontopathie mit vorzeitigem Zahnverlust erwarten. Prof. Dr. Dr. K empfahl dem Kläger zu 1. eine kombinierte kieferorthopädische/kieferchirurgische Behandlung. Dieselbe Empfehlung gab auch der vom Kläger zu 1. in etwa zeitgleich aufgesuchte Kieferchirurg Dr. Dr. S ab, der darüber hinaus im Oktober 1991 bei ihm zwei Weisheitszähne entfernte (vgl. Bericht vom 9. September 1993).
Im August 1992 suchte der Kläger zu 1. den Kieferorthopäden Dr. Dr. K zu einer diagnostischen Untersuchung sowie zu einer Beratung über Therapiemöglichkeiten auf (vgl. Stellungnahme vom 10. November 1999). Am 14. Juli 1993 reichte sodann der Kläger zu 2. bei der Beklagten den kieferorthopädischen Behandlungsplan des Dr. Dr. K vom 2. März 1993 einschließlich zwei Rechnungen über bis dahin erbrachte ärztliche Leistungen ein.
Mit Bescheid vom 23. August 1993 lehnte die Beklagte die Bezuschussung der kieferorthopädischen Behandlung ab. Zur Begründung führte sie aus, nach § 28 Abs. 2 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) in der zum 1. Januar 1993 in Kraft getretenen Fassung gehöre die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu deren Beginn das 18. Lebensjahr vollendet hätten, nicht zur zahnärztlichen Behandlung. Dies gelte nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß hätten, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordere. Indessen sei aus dem Behandlungsplan nicht zu ersehen, dass eine schwere Kieferanomalie vorliege.
Hiergegen legten die Kläger am 8. September 1993 Widerspruch ein, in dem sie geltend machten, bei dem Kläger zu 1. liege sehr wohl eine schwere Kieferanomalie vor.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme der Ärztin für Kieferorthopädie Frau Dr. Sch S vom 4. Oktober 1993 ein und wies sodann den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 1993 zurück. Ergänzend führte sie hierin aus, es lägen auch die Voraussetzungen der Übergangsregelung des Art. 33 § 5 des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) nicht vor, da ihre Entscheidung über den Behandlungsplan weder vor dem 5. November 1992 ergangen sei noch die Behandlung vor dem 1. Januar 1993 begonnen habe. Der Behandlungsplan sei erst wesentlich später, nämlich im März 1993, ausgestellt worden.
Mit ihrer am 20. Dezember 1993 erhobenen Klage haben die Kläger geltend gemacht, im vorliegenden Fall sei für die Kostenerstattung noch das alte Recht maßgebend, da der Kläger zu 1. bereits als Kind in den 70er Jahren bei den Kieferorthopäden Dr. W und Dr. B in B in Behandlung gestanden habe. Außerdem habe sich der Kläger zu 1. im August 1992 - und damit vor dem Stichtag - in die kieferorthopädische Behandlung des Dr. D...