Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Heimvertrag. Vergütungsübernahme gem § 93 Abs 2 BSHG bzw § 75 Abs 3 SGB 12. vorläufige Vergütung. analoge Anwendbarkeit des § 93b Abs 2 S 4 BSHG bzw § 77 Abs 2 S 4 SGB 12. nachträglicher Ausgleich gem § 93b Abs 1 S 1 Halbs 2 BSHG bzw § 77 Abs 1 S 1 Halbs 2 SGB 12. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
1. Bei einem Verwaltungsakt, der im Rahmen eines Eingliederungsfalles erlassen wurde, bei welchem nach den im Gerichts- und Verwaltungsverfahren vorliegenden ärztlichen Erkenntnissen eine Besserung des Zustandes kurzfristig nicht zu erwarten ist, handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt; eine Beschränkung würde sich nur dann ergeben, wenn der angefochtene Bescheid ausdrücklich ein Ende des Bewilligungszeitraumes enthält.
2. Bedient sich der Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung seiner Hilfeverpflichtung einer stationären Einrichtung, umfasst der Hilfeanspruch im Rahmen des sog "sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses" auch die Übernahme des Entgeltes, das dem Hilfebedürftigen durch die Inanspruchnahme der Dienste der Einrichtung in Rechnung gestellt wird (vgl BVerwG vom 26.10.2004 - 5 B 50/04).
3. Der in § 93 Abs 2 S 1 BSHG bzw in § 75 Abs 3 S 1 SGB 12 geregelte Sozialhilfeanspruch auf Übernahme der Kosten ist als Geldleistungsanspruch zu qualifizieren und nicht als Sachleistungsanspruch (vgl OVG Lüneburg vom 12.6.2006 - 4 LC 309/02).
4. Die Öffnungsklausel des § 93 Abs 3 S 1 BSHG bzw § 75 Abs 4 S 1 SGB 12 findet keine Anwendung, solange die Einrichtung mit dem Träger der Sozialhilfe über den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung verhandelt.
5. Prospektiver Pflegesatz bedeutet, dass die Vereinbarungen nach § 93 Abs 2 BSHG bzw § 75 Abs 3 SGB 12 für eine zukünftige Wirtschaftsperiode abzuschließen sind. Mit der Prospektivität ist das Selbstkostendeckungsprinzip mit einem nachträglichen Ausgleich von Überschüssen und Fehlbeträgen ausgeschlossen.
6. Die Regelung des § 93b Abs 1 S 1 Halbs 2 BSHG bzw § 77 Abs 1 S 1 Halbs 2 SGB 12 steht wegen der in Art 19 Abs 4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie einer nachträglichen (Gerichts-)Entscheidung über die Festlegung einer Vereinbarung iS des § 93 Abs 2 BSHG bzw § 75 Abs 3 SGB 12 nicht entgegen, da nur entschieden würde, welcher prospektive Pflegesatz zu Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode zu Grunde zu legen ist; ein nachträglicher Ausgleich findet insofern gerade nicht statt. Der Grundsatz der Prospektivität ist von dem in § 93b Abs 2 BSHG bzw § 77 Abs 2 SGB 12 geregelten Inkrafttreten der Vereinbarungen zu unterscheiden.
7. In analoger Anwendung des § 93b Abs 2 S 4 BSHG bzw § 77 Abs 2 S 4 SGB 12 gelten die vereinbarten oder festgesetzten Vergütungen aufgrund des gesetzgeberischen Ziels der vereinbarungsgebundenen Leistungserbringung bis zum Inkrafttreten neuer Vergütungen weiter.
8. Gem § 5 Abs 6 HeimG haben die Regelungen im Heimvertrag den Vereinbarungen dem § 93 Abs 2 BSHG bzw § 75 Abs 3 SGB 12 zu entsprechen; solange keine endgültigen Vereinbarungen gem § 93 Abs 2 BSHG bzw § 75 Abs 3 SGB 12 bestehen, richtet sich das Heimentgelt nach der vorläufigen Vereinbarung oder Festsetzung zwischen Sozialhilfeträger und Einrichtungsträger.
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin begehrt für die Zeit ab 28. September 2000 höhere Leistungen der Eingliederungshilfe unter Berücksichtigung ihrer Entgeltverpflichtung aus einem mit dem Klinikum W geschlossenen Heimvertrag.
Die 1941 geborene ledige Klägerin leidet u. a. an einer Intelligenzminderung, einer Dysthymie und einer Alkoholabhängigkeit verbunden mit einer erheblichen emotionalen Labilität. Aufgrund ihrer Multimorbidität ist die Klägerin auf die Unterbringung, Betreuung und Pflege in einer Spezialeinrichtung angewiesen.
Die Klägerin bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und Leistungen aus der Pflegeversicherung. Weitere Einkünfte hat sie nicht.
Am 30. August 1996 wurde die Klägerin in den Langzeitbereich des Klinikums W aufgenommen. Zwischen ihr und der Klinikum W GmbH wurde ein Heimvertrag geschlossen, in dem sich die Klägerin verpflichtete, das ursprünglich vereinbarte und an die laufende Kostenentwicklung angepasste Heimentgelt jeweils monatlich zu zahlen.
Mit Bescheid vom 13. Juni 1997 gab die Landeshauptstadt Hannover ein Kostenanerkenntnis ab und verpflichtete sich, für die Zeit ab 30. August 1996 die durch den Heimaufenthalt der Klägerin entstehenden Kosten von tgl. 190,90 DM zuzüglich eines Barbetrages zu übernehmen, soweit diese nicht durch die von der Klägerin einzusetzenden Mittel gedeckt seien. Weiter heißt es in dem Bescheid:
"Die Kosten für den Aufenthalt in der Einrichtung werden nur in Höhe des vom örtlichen Träger der Sozialhilfe jeweils vereinbarten oder festgesetzten Pflegesatzes direkt mit dem Heim abgerechnet. Die Hilfegewährung erfolgt als vorläufige Hilfe gem. § 8 des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG)."
Die Klägerin legte geg...