Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Einsatz des Einkommens und Vermögens. Mittagessen als integraler Bestandteil. Tagesbildungsstätte. Kostenbeitrag. fehlende Rechtsgrundlage. Ermessensausübung
Leitsatz (amtlich)
1. § 92 Abs 2 SGB 12 schafft keine außerhalb der allgemeinen Einkommensgrenzen stehende Sonderregelung, sondern stellt eine Einschränkung des § 92 Abs 1 SGB 12 dar; ein Kostenbeitrag nach Abs 2 setzt eine Einstandspflicht nach Abs 2 voraus.
2. Es bleibt offen, ob das in einer Tagesbildungsstätte gewährte Mittagessen (als integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe) zu den Kosten des Lebensunterhalts iS des § 92 Abs 2 S 1 SGB 12 gehört.
3. § 92a Abs 1 SGB 12 enthält keine Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Kostenbeitrages von Eltern minderjähriger und unverheirateter Kinder für die Leistungen in der Einrichtung.
4. Eine Heranziehung nach § 88 Abs 1 SGB 12 ist rechtswidrig, wenn der Träger der Sozialhilfe bei der Festsetzung des Kostenbeitrags kein Ermessen ausgeübt hat.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 7. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird endgültig auf 1.754,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen vom Beklagten festgesetzten Kostenbeitrag für seit Januar 2005 ersparte Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt wegen der Teilnahme ihres Sohnes am Mittagessen in einer Tagesbildungsstätte.
Die 1953 geborene Klägerin zog mit ihrem am 14. Februar 1990 geborenen Sohn H. im Oktober 1996 von J. nach K. in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten um. Bei dem Sohn der Klägerin bestehen eine statomotorische und mentale Entwicklungsretardierung bei Hydrocephalus, ein cerebrales Anfallsleiden und ein Zustand nach Korrekturoperation eines schweren Herzfehlers. Vor dem Umzug besuchte der Sohn der Klägerin den Heilpädagogischen Kindergarten der Lebenshilfe J. und kurzzeitig die I. in J.. Am 16. Oktober 1996 wurde er in die Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe Soltau e.V. aufgenommen. Es handelt sich hierbei um eine teilstationäre Betreuung, die auch ein tägliches Mittagessen umfasst. Diese Tagesbildungsstätte besuchte der Sohn der Klägerin bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und darüber hinaus.
Mit Bescheid vom 25. November 1996 gab der Beklagte ein Grundanerkenntnis über Eingliederungshilfeleistungen nach den §§ 39, 40 Abs 1 Nr 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bis auf weiteres, längstens bis zum Ende der Schulpflicht, ab. Mit weiterem Bescheid vom 25. November 1996 verlangte er von der Klägerin einen Kostenbeitrag in Höhe von 44,00 DM wegen der ersparten Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt. Die Klägerin wies darauf hin, dass sie und ihr Sohn gemeinsam von der Gemeinde K. Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) bezögen. Daraufhin hob der Beklagte, seinen Kostenbeitragsbescheid vom 25. November 1997 mit Bescheid vom 29. April 1997 mit Wirkung ab dem 1. Februar 1997 auf und veranlasste, dass die Gemeinde K. ab dem 1. Februar 1997 den Betrag von 44,00 DM vom HLU-Regelsatz des Sohnes der Klägerin einbehielt.
Vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2005 bezog die Klägerin für sich und H. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II -, Bescheid der Gemeinde K. vom 22. Dezember 2004. Ein Absetzbetrag vom Regelsatz für H. wurde nicht (mehr) berücksichtigt. Ab dem 1. Juli 2005 bezog die Klägerin eine bis zum 30. Juni 2008 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 693,40 € monatlich. Mit Bescheid vom 26. Juli 2005 gewährte daraufhin die für den Beklagten handelnde Gemeinde K. der Klägerin und ihrem damals 15-jährigen Sohn ab dem 1. Juli 2005 ergänzende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41ff SGB XII) bis auf weiteres in Höhe von 189,65 €. Die von der Gemeinde K. anerkannten Kosten der Unterkunft beliefen sich nach diesem Bescheid - wie im Bescheid vom 22. Dezember 2004 über Leistungen nach dem SGB II - auf 315,00 € für die Miete und 42,43 € Heizkosten bereits abzüglich des Warmwasseranteils. Tatsächlich zahlte die Klägerin höhere Miete, nämlich inklusive Nebenkosten 600,00 € (Kontobelege B. 121, 132 VA). Beim Regelbedarf des Sohnes der Klägerin erfolgte laut diesem Bescheid weiterhin keine Absetzung der ersparten Aufwendungen für ein Mittagessen. Ab dem 1. Oktober 2006 wurde für H. Unterhalt in Höhe von 217,00 € gezahlt, die Klägerin erhielt ab dem gleichen Tag Wohngeld in Höhe von 109,00 € monatlich. Die Grundsicherungsleistungen wurden zum 1. Oktober 2006 eingestellt (Bescheid der Gemeinde K. vom 10. Oktober 2006).
Bereits mit Bescheid vom 15. März 2005 hatte der Beklagte das bisherige Kostenanerkenntnis über Eingliederungshilfeleistungen für den Sohn der Klägerin mit Wirkung vom 31. Dezember 2004 aufgehoben und ein neues Kostenanerkenntnis gemäß den §§ 53, 54 des Zwölften Buches Sozialges...