Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Physiotherapeutin. Tätigkeit in einer fremden Praxis. mündlich getroffene Vereinbarung einer selbstständigen, freien Mitarbeit. Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit oder einer abhängigen Beschäftigung

 

Orientierungssatz

1. Physiotherapeuten, die ihre Leistungen in einer fremden, zur Leistungserbringung nach § 124 SGB 5 zugelassenen Praxis erbringen, sind in der Regel abhängig beschäftigt (vgl LSG München vom 13.2.2014 - L 5 R 1180/13 B ER, vom 24.1.2006 - L 5 KR 185/04, vom 11.8.2008 - L 5 R 210/09 und LSG Celle-Bremen vom 18.7.2012 - L 2 R 115/12).

2. Zur Versicherungspflicht einer "freien Mitarbeiterin" in einer krankengymnastischen Praxis, wenn nur deren Inhaberin zur Abrechnung gegenüber den Krankenkassen berechtigt ist vgl auch BSG vom 14.9.1989 - 12 RK 64/87 = SozR 2200 § 165 Nr 96 und Parallelentscheidung vom 14.12.1989 - 12 RK 2/88.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.03.2016; Aktenzeichen B 12 KR 20/14 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 2. Mai 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 11. Mai 2009 werden abgeändert.

Soweit die Beklagte Säumniszuschläge von 6.656,50 Euro erhoben hat, wird der Bescheid der Beklagten aufgehoben. Insoweit wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) tragen die Kosten des Rechtsstreits zu 4/5, die Beklagte zu 1/5.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 27.262,63 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beklagte begehrt von der Klägerin Beiträge zur Sozialversicherung für die Beigeladene zu 1) in Höhe  von 27.262,63  € inklusive Säumniszuschläge in Höhe von 6.656,50 € für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007.

Die Klägerin ist eine Praxis  für Physiotherapie in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die Massagen und Krankengymnastik anbietet. Gesellschafter der Klägerin sind Frau K. und Herr L.. Diese sind ausgebildete Physiotherapeuten und waren in dem streitigen Zeitraum  jeweils in Teilzeit in ihrer Praxis tätig.

Die Praxis der Klägerin war ca. 470 qm groß, bestehend aus acht Behandlungsräumen, jeweils ausgestattet mit einer Behandlungsliege, zwei Stühlen und einem Regal und verschiedenen Geräten. Die Klägerin beschäftigte drei Vollzeitkräfte à 38,75 Stunden pro Woche sowie zwei Teilzeitkräfte à 20 Stunden. Zudem waren zwei Mitarbeiter an der Anmeldung beschäftigt.

Die am 4. November 1956 geborene Beigeladene zu 1) ist ausgebildete Krankengymnastin und Physiotherapeutin mit der Qualifikation als Heilpraktikerin für Psychotherapie (seit 2008). Sie ist seit 2001 als  Krankengymnastin tätig und besaß in dem hier streitigen Zeitraum von Januar 2004 bis Dezember 2007 keine eigene Krankenkassenzulassung. Sie verfügte nicht über eigene Geschäftsräume und Behandlungsräume und beschäftigte keine Arbeitnehmer. Sie war freiwillig in der beigeladenen Techniker Krankenkasse krankenversichert  und entrichtete Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung. Neben der Tätigkeit bei der Klägerin war die Beigeladene zu 1) auch für das Therapiezentrum M. tätig.

Die Beklagte führte im August 2008 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung über den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 durch. Mit Schreiben vom 27. November 2008 hörte sie die Klägerin dazu an, dass beabsichtigt sei, für die Beigeladene zu 1) Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 28.263,24 € nach zu erheben.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 30. Dezember 2008. Sie vertrat  die Auffassung, dass die Beigeladene zu 1) selbstständig tätig sei. Im Rahmen ihrer Selbstständigkeit sei sie auch für das Therapiezentrum M. als Physiotherapeutin tätig und verfüge dort etwa über die gleichen Umsätze. Da sie mit einem etwa gleichen Zeitaufwand für einen Mitbewerber tätig sei, sei widerlegt, dass sie im Rahmen eines  abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig sein könne. Eine Tätigkeit bei einem direkten Konkurrenten im Rahmen eines  abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sei regelmäßig arbeitsvertraglich ausgeschlossen. Zulässig  sei die Tätigkeit für einen Konkurrenten allein bei einem Selbstständigen. Die freiberufliche Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Therapiezentrum M. sei im Rahmen einer Betriebsprüfung im Jahre 2004 bis 2007 nicht beanstandet worden. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, warum die Tätigkeit bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgen solle. Die Beigeladene zu 1) verfüge über eigenes Arbeitsmaterial, einen eigenen Pkw, mit dem sie die Fahrten zu den Patienten durchführe. Die Kosten für den Betrieb (Steuern, Versicherungen, Kraftstoff) und die Unterhaltung (Reparaturen, Wartungen) trage die Beigeladene zu 1) selbst. Ihre Bekleidung befinde  sich in ihrem Eigentum, über weiteres  Arbeitsmaterial verfüge  sie nicht.

Es bestehe ein eigenes unternehmerisches Risiko. Zwar besitze di...

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