Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Hinterbliebenenrente. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Radaroperator in den siebziger Jahren. Radarstrahlung. Spätfolge. maligner Kopftumor. ursächlicher Zusammenhang. weitere Belastung durch radiumhaltige Leuchtfarbe. Bericht der Radarkommission
Leitsatz (amtlich)
Anerkennung einer Tumorerkrankung als Folge der Tätigkeit an Radargeräten der Bundeswehr.
Orientierungssatz
1. Bei Erfüllen der von der Radarkommission formulierten Voraussetzungen ist einerseits vom Vorliegen der schädigenden Einwirkung und andererseits von der Kausalität dieser Einwirkung für die dann eingetretene Erkrankung auszugehen.
2. Zwar ist in der Empfehlung der Radarkommission ein Tumor des Kopfes nicht in die Tabelle 9-1 aufgenommen worden. Zu beachten ist indessen, dass in diese Tabelle nur die Organe aufgenommen wurden, für die der Radarkommission einschlägige Untersuchungen vorgelegen haben. Für alle anderen Organe ist eine Einzelfallbetrachtung notwendig.
3. Entsprechend dem Bericht der Radarkommission kann einem Operator an Radargeräten der Bundeswehr nicht nur die Dosis an Strahlenbelastung zugerechnet werden, die er aus der Tätigkeit als Operator an diesem Radargerät empfangen hat, sondern es muss auch davon ausgegangen werden, dass er zusätzlich anlässlich einzelner Einstell- oder Reparaturarbeiten von einem Mechaniker hinzugezogen worden ist.
4. Es liegt die Vermutung nahe, dass radiumhaltige Leuchtfarbe, welche nach den Erhebungen der Radarkommission auf den Konsolen direkt vor dem Gesicht der Radaroperatoren angebracht war, - wenn auch wahrscheinlich in geringem Umfang - zu einen weiteren Belastung von erkranktem Gewebe im Kopf eines Radaroperators beigetragen hat.
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 18. Juni 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt neu gefasst wird:
Die beklagte Bundesrepublik Deutschland wird unter Aufhebung des Bescheides vom 5. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 verurteilt, der Klägerin ab August 2001 Hinterbliebenenrente zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren um die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung nach den Vorschriften des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG).
Die Klägerin ist die Witwe des am I. 1939 geborenen und am 27. Mai 1999 verstorbenen Herrn J. (nachstehend Verstorbener). Dieser war von Januar 1961 bis September 1992 zuletzt im Range eines Stabsfeldwebels als Berufssoldat Angehöriger der Bundeswehr. Von Februar bis August 1971 hat er eine Ausbildung zum Flugsicherungscontroller in der technischen Schule der Luftwaffe in K. absolviert. Danach war er als Operator im Flugsicherungsdienst der Bundeswehr zunächst in L. und sodann bis 1979 in M. tätig. Im April 1999 wurde bei ihm ein Gehirntumor festgestellt. An den Folgen dieser Erkrankung verstarb er trotz der eingeleiteten Bestrahlungsmaßnahmen am 27. Mai 1999.
Im August 2001 beantragte die Klägerin, ihr wegen des Todes ihres Ehemannes Versorgung zu gewähren. Zur Begründung machte sie geltend, die Erkrankung ihres Ehemannes sei auf die Belastung durch Strahlung anlässlich seiner Tätigkeit an den verschiedenen Radaranlagen der Bundeswehr zurückzuführen.
Das - zunächst - beklagte Land Niedersachsen leitete ein Verwaltungsverfahren ein und beteiligte im gesamten Verlauf des Verwaltungsverfahrens durchgängig die jeweils befassten Stellen der Bundeswehr. Die Klägerin reichte Kopien des von ihrem Ehemann geführten Nachweisbuches über die von ihm durchgeführten und betreuten Landeanflüge im Zuge seiner Tätigkeit als Flugsicherungscontroller zu den Akten. Weiter gelangten Teilberichte über die Strahlenbelastung durch verschiedene Radaranlagen, die in der Bundeswehr in der fraglichen Zeit verwendet worden waren, zum Vorgang. Im Verwaltungsverfahren wurde auch der Versorgungsmedizinische Dienst der Bundeswehr beteiligt. Insoweit liegen zwei versorgungsmedizinische gutachtliche Stellungnahmen von Oberfeldarzt Dr. N. vom 18. September 2003 und vom 10. März 2004 vor. In der letztgenannten Stellungnahme gelangte Dr. N. zu der Einschätzung, die erfolglos strahlentherapierte Erkrankung des Ehemanns der Klägerin müsse laut Weisungslage als Wehrdienstbeschädigung (WDB) anerkannt werden, da der Verstorbene an dem Gerät CPN-4 tätig gewesen sei. Daher sei eine Belastung relevanten Ausmaßes durch ionisierende Strahlung zu unterstellen und diese als kanzerogen anzusehen.
Das (ehemals) beklagte Land lehnte den Anspruch der Klägerin dennoch mit hier angefochtenem Bescheid vom 5. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2006 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, es sei nicht nachgewiesen, dass der Ehemann der Klägerin an der Radaranlage AN/CPN-4 tätig gewesen sei, für die nach dem Bericht der Radarkommission des Bundes eine ...