Entscheidungsstichwort (Thema)
Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. Strahlungsschäden durch Radargeräte der Bundesmarine. Krebserkrankung. Bejahung des ursächlichen Zusammenhangs. Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG. Empfehlungen der Radarkommission nicht abschließend. Übergang des Anspruchs auf die Ehefrau des verstorbenen Soldaten. Prozessrechtsnachfolge. sozialgerichtliches Verfahren
Orientierungssatz
1. Liegt kein Nachweis dafür vor, dass ein an Krebs erkrankter Soldat während des Wehrdienstes einer relevanten Strahlung ausgesetzt war, die die eingetretenen Gesundheitsstörungen verursachen konnte, kann der ursächliche Zusammenhang zwischen Krebserkrankung und der Strahlenexposition während des Wehrdienstes unter Anwendung der Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG bejaht werden, wenn die Angaben des Soldaten zu den mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen glaubhaft erscheinen (hier für eine Tätigkeit an Sendeanlagen der Typen SGR-103 und SGR-105 auf Tendern der Bundesmarine in der Zeit bis 1975/76).
2. Die Anwendung des § 15 KOVVfG wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Anerkennung des Versorgungsanspruchs von der Radarkommission nicht empfohlen worden ist.
3. Die Feststellung, dass eine Krebserkrankung als Schädigungsfolge einer durch Röntgenstrahlung in der Wehrdienstzeit erlittenen Wehrdienstbeschädigung bestanden hat, kann nach dem Tod des krebserkrankten Soldaten nach § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 1 von der allein erbenden Ehefrau als Sonderrechtsnachfolgerin weiterverfolgt werden, wenn die begehrte Feststellung unmittelbare Voraussetzung für Geldleistungen ist, die vom Verstorbenen noch vor seinem Tod anhängig gemacht worden sind.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 4.8.2009 sowie der Bescheid der Beklagten vom 21.6.2005 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 20.10.2005 und 24.11.2005 und der Bescheid der Beklagten vom 18.9.2012 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass bei dem Verstorbenen Herrn C. ein “Zustand nach operiertem Prostata-Tumor„ sowie eine “Leukämie„ als Schädigungsfolgen einer Strahlenbelastung während seines Wehrdienstes bestanden haben.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerseite aus beiden Rechtszügen tragen die Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung einer Erkrankung des - zwischenzeitlich verstorbenen - Ehemannes der Klägerin an Prostatakrebs und Leukämie und die Gewährung entsprechender Beschädigtenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) im Ergebnis einer Strahlenexposition an Radargeräten der Bundeswehr.
Der ... 1938 geborene und ... 2012 verstorbene Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Verstorbener) war nach nautischer Ausbildung in der Handelsmarine vom 4.10.1965 bis 31.7.1994 Berufssoldat bei der Bundesmarine. Im Rahmen seiner militärischen (Offiziers-)Ausbildung war er dabei u.a. vom 1.2. bis 10.7.1967 zur Bordausbildung auf sog. “Tendern„ (Versorgungs- und Führungsschiffen) des 7. Schnellbootgeschwaders in K... tätig. Vom 21.8. bis 30.9.1967 hat der Verstorbene am Offizier-A-Lehrgang “Ortungsdienst„ der Marine-Ortungsschule B... teilgenommen. Vom 1.4.1968 bis 31.3.1969 fand er als Ortungsoffizier und vom 1.4.1969 bis 30.9.1969 als Schiffsoperations- und Navigationsoffizier auf dem Tender “R...„ Verwendung. Im Anschluss verrichtete er u.a. vom 1.10.1971 bis 30.9.1974 seinen Dienst als Schiffswaffenoffizier auf dem Tender “D...„ und vom 1.7.1976 bis 31.3.1979 als Kommandant auf dem Tender “E...„. Seit dem 1.8.1994 befand er sich im Ruhestand.
Im Gefolge seiner Entlassungsuntersuchung wurde bei dem Verstorbenen im Herbst 1994 ein maligner Prostata-Tumor festgestellt, der zu Beginn des Jahres 1995 u.a. im Wege einer operativen Totalentfernung der Prostata behandelt wurde. Auf das daraufhin von der Beklagten formlos eingeleitete Feststellungsverfahren erklärte der Verstorbene am 11.11.1994, dass er “keine Ansprüche als Wehrdienstbeschädigung geltend„ mache.
Im Juli 2001 beantragte der Verstorbene bei der Beklagten sodann jedoch ausdrücklich die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem SVG i.V.m. dem BVG aufgrund seiner Krebserkrankung. Diese sei auf das “regelmäßige berufsbedingte Verweilen im direkten Radareinfluss auf offener Brücke oder am Gerät„ auf den Tendern “R...„, “M...„ “E...„ und “D...„ zurückzuführen. Diese Schiffsklasse habe ausschließlich über eine “offene„ Brücke verfügt, so dass sich der Wachoffizier und der Kommandant im Freien vor den “stets strahlenden Navigations-Radaranlagen„ befunden habe. Bei schlechter Sicht (Nebel) habe er sich ausschließlich am Radargerät aufgehalten, was mitunter über mehrere Tage angedauert habe. Später - während seiner Zeit als Kommandant - habe er sich zur besseren Überwachung sogar eine Koje in die Operationszentrale des Tenders “E...„ einbauen lassen. Naturgemäß habe er darüber hi...