Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. Leistungsausschluss bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung. Rückausnahme bei vorübergehendem Krankenhausaufenthalt und Sicherstellung der Pflege im Arbeitgebermodell. Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Umfang der durch Fallpauschalen und Zusatzentgelte vergüteten allgemeinen Krankenhausleistungen
Leitsatz (amtlich)
1. Während der Dauer des Aufenthaltes in einer stationären Einrichtung ist der Anspruch auf häusliche Pflege nach dem SGB XII grundsätzlich ausgeschlossen. Die Rückausnahme des § 63 S 4 SGB XII iVm § 66 Abs 4 S 2 SGB XII erfasst nur die besondere Versorgungsform im Wege des Arbeitgeber- oder Assistenzmodells.
2. Die Aufnahme einer pflegebedürftigen Person im Krankenhaus kann nicht dazu führen, dass diese für den Zeitraum des stationären Aufenthaltes selbst die Pflege sicherstellen muss. Solange die Erforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung besteht, ist die Pflege vom Krankenhaus sicherzustellen, das aufgrund des pauschalierenden Systems auch für schwere Fälle entgolten wird.
Tenor
Auf die Berufung des Beigeladenen zu 2. wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 5. September 2014 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger während seines Krankenhausaufenthaltes in der Zeit vom 23. April 2010 bis 30. April 2010 einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Pflegefachkraft hatte.
Der im Jahr 1955 geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen G, aG, H und RF anerkannt sind, ist pflegebedürftig. Er leidet unter einer fortschreitenden Muskeldystrophie. Er bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und eine VBL-Rente sowie Pflegegeld nach der Pflegestufe 3. Außerdem erhielt der Kläger bereits vor dem streitgegenständlichen Zeitraum laufende Pflegesachleistungen von der Beklagten unter Anrechnung des ihm gewährten Pflegegeldes (so etwa mit Bewilligungsbescheid vom 25. Februar 2010 für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Juli 2010). Die häusliche Pflege erfolgte ambulant durch den Pflegedienst Taurus. Der Kläger hatte selbst keine Pflegekräfte angestellt.
Der Kläger musste sich in der Zeit vom 23. April 2010 bis 30. April 2010 einer Herzschrittmacher-Implantation in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) unterziehen, die einen vollstationären Krankenhausaufenthalt erforderlich machte. Bereits vor der Aufnahme wies er im Rahmen eines Vorgesprächs auf den Umfang seines Pflegebedarfs hin. Seinem unwidersprochenen Vortrag nach erhielt er von der MHH daraufhin die Auskunft, eine Pflege in solchem Umfang könne nicht von ihr geleistet werden, so dass er eine Pflegeperson und einen eigenen Lifter mitbringen müsse.
Sodann beantragte der gesetzlich bei der Barmer GEK pflichtversicherte Kläger mit Schreiben vom 19. April 2010 bei der namens und im Auftrag der Beklagten handelnden Landeshauptstadt Hannover (LHH) die Kostenübernahme für eine Assistenzkraft während seines Krankenhausaufenthaltes mit der Begründung, dass ihm ein solcher Anspruch ebenso zustehen müsse wie Menschen, die ihren Pflegebedarf durch von ihnen selbst beschäftigte Pflegekräfte sicherstellen.
Die LHH lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. April 2010 mit der Begründung ab, ein Anspruch auf häusliche Pflege für die Dauer des stationären Krankenhausaufenthaltes gemäß § 63 SGB XII bestehe nicht, da sowohl die medizinische als auch die pflegerische Versorgung von der Einrichtung sicherzustellen und daher durch das Krankenhauspersonal zu erbringen sei. § 66 Abs. 4 Satz 2 SGB XII sei vorliegend nicht einschlägig, da der Kläger seine Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst und damit nicht durch von ihm beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstelle.
Der Kläger nahm während seines stationären Aufenthaltes in der MHH die Leistungen des Pflegedienstes Taurus in Anspruch, für die er eine auf den 27. Mai 2010 datierende Rechnung über 1.327,90 € erhielt; die Rechnung wurde von ihm beglichen.
Mit seinem am 5. Mai 2010 gegen den Ablehnungsbescheid vom 21. April 2010 erhobenen Widerspruch wandte der Kläger ein, das Krankenhaus sei nicht in der Lage gewesen, die notwendige Assistenzkraft zu stellen, so dass eine durchgehende Leistungsnotwendigkeit der Beklagten bestanden habe.
Mit „Einstellungs- und Rücknahmebescheid“ vom 19. Mai 2010 hob die LHH den Bewilligungsbescheid über die Gewährung von Pflegegeld für die Zeit vom 24. April 2010 bis 29. April 2010 gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf und forderte einen Betrag von 45,68 € von dem Kläger zurück.
Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 21. April 2010 nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2010 zurück, da der Kläger gemäß § 27 Abs. 1 SGB V einen vorrangigen Anspruch auf Versorgung durch das Klinikpersonal habe. Ein Anspruch nach § ...