Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsentziehung nach Verletzung vertragsärztlicher Pflichten. Verstoß gegen die Substitutionsrichtlinien
Leitsatz (amtlich)
Die Zusammenarbeit mit einem Arzt, der die Vorschriften der Substitutions-RL (juris: MVVRL Anl I Nr 2) bei der Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger in grober Weise verletzt hat und auch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an einem hiervon abweichenden Therapiekonzept festhält, kann den Krankenkassen und der KÄV nicht zugemutet werden.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 7. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert im Berufungsverfahren wird auf 151.305,09 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner vertragsärztlichen Zulassung.
Der Kläger erhielt im April 1997 seine Approbation als Arzt. Im August 2000 erwarb er die Facharztbezeichnung "Allgemeinmedizin" und im März 2002 die Fachkunde "Suchtmedizin Grundversorgung/Allgemeinmedizin". Vom 1. Oktober 2000 bis 31. März 2005 besaß der Kläger die Methadon-Genehmigung und vom 1. April 2005 bis 12. Juni 2006 die Genehmigung zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger. In der Zeit vom 1. April 1999 bis 30. März 2000 war er als Weiterbildungsassistent bei seinem Vater, Dr. E.F., in G. angestellt. Seit 1. Oktober 2000 war er als Facharzt für Allgemeinmedizin in G. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Dort betrieb er mit seinem Vater bis zum 30. Juni 2001 zunächst eine Gemeinschaftspraxis, die zum 1. Juli 2001 in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt wurde. Zum 1. April 2004 erfolgte erneut eine Umwandlung in eine Gemeinschaftspraxis.
Mit Schreiben vom 18. August 2006 beantragte die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV), dem Kläger wegen gröblicher Pflichtverletzung seiner vertragsärztlichen Pflichten die Zulassung zu entziehen. Der Kläger sei durch sein Verschreibungsverhalten bei der Substitutionsbehandlung aufgefallen. Während des daraufhin eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Abrechnungsbetruges habe der Kläger am 3. Juni 2006 auf seine Substitutionsgenehmigung verzichtet. Ausweislich des im Auftrag der Staatsanwaltschaft Lüneburg erstellten Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN; Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie - Sozialmedizin - Dr. H. und Dr. I. - Sozialmedizin -) vom 8. August 2006 habe die Gemeinschaftspraxis F. /J. im Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2005 durch Rezeptmanipulationen, sog Laufzeitverkürzungen, einen Gesamt-Methadon-Überschuss von 37.720,8 ml erwirtschaftet. Die Substitutionsleistungen seien regelmäßig auch dann abgerechnet worden, wenn - entgegen der Bestimmungen - kein persönlicher Arzt-Patientenkontakt stattgefunden habe.
Mit Beschluss vom 6. September 2006 entzog der Zulassungsausschuss für Ärzte Lüneburg (ZA) dem Kläger die Zulassung als Vertragsarzt. Der Kläger habe massiv gegen die Grundpflichten des Vertragsarztes verstoßen, indem er über einen Zeitraum von 17 Quartalen sämtliche Substitutionsleistungen falsch abgerechnet habe. In sämtlichen vom MDKN begutachteten Fällen habe die Substitution nicht den gesetzlichen Bestimmungen und Richtlinien entsprochen. Mit seinem Widerspruch vom 6. November 2006 rügte der Kläger, der ZA habe keine eigene Bewertung vorgenommen, sondern lediglich unkritisch die Ergebnisse des MDKN-Gutachtens übernommen. So hätten dem ZA weder die Krankenakten noch das "Giftbuch" vorgelegen.
Mit Beschluss vom 22. November 2006, an den Kläger abgesandt am 5. Dezember 2006, wies der Beklagte den Widerspruch zurück und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass aufgrund der überzeugend getroffenen Feststellungen der Sachverständigen Dres. K. /L., insbesondere in der Zusammenfassung des Gutachtens, feststehe, dass der Kläger eklatant und durchgängig gegen seine vertragsärztlichen Verpflichtungen bei der Drogensubstitution verstoßen habe. Sein durchgängig erhebliches Fehlverhalten bedeute nicht nur eine den Vertragspflichten zuwider laufende Substitutions-Behandlung, sondern führe auch zur unberechtigten und damit Falschabrechnung der anwendbaren Gebührenansätze des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM). Das Verhalten des Klägers, wie es im Einzelnen im Gutachten dokumentiert, erläutert und bewertet werde, mache sowohl der KÄV als auch den Krankenkassen eine weitere Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung unzumutbar. Auch der Umstand, dass der Kläger zukünftig nicht mehr in der Drogensubstitution tätig sei, ändere nichts daran, dass die in diesem Bereich nachgewiesenen Verfehlungen zur Unzuve...