Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Festsetzung der Punktzahlobergrenze durch Zulassungsausschuss. Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis. statusrechtliche Entscheidung. keine rückwirkende Änderung nach § 45 Abs 4 SGB 10. Rückforderung durch Kassenärztliche Vereinigung im Rahmen sachlich-rechnerischer Berichtigung bei rechtswidrig zu hoher Festsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vom Zulassungsausschuss bei der Zulassung eines Vertragsarztes innerhalb einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis festgesetzte Leistungsbegrenzung (Punktzahlobergrenze) ist Bestandteil der statusrechtlichen Entscheidung über die Zulassung. Sie kann daher nicht rückwirkend nach § 45 Abs 4 SGB 10 geändert werden.

2. Die Möglichkeit der Kassenärztlichen Vereinigung, bei rechtswidrig zu hoher Festsetzung der Punktzahlobergrenze überzahlte Honorare nach sachlich-rechnerischer Berichtigung zurückzuverlangen, lässt dies unberührt.

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 17. Oktober 2007 aufgehoben.

Der Beschluss des Beklagten vom 18. Juni 2003 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 91.441,76 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Kläger wehren sich gegen die rückwirkende Teilrücknahme der Festlegung der quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina als Obergrenze im Rahmen einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis für die Zeit vom 1. August 2000 bis zum 31. Januar 2002.

Die Kläger sind als Mitglieder einer chirurgischen Gemeinschaftspraxis in H. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Der Kläger zu 1. war seit 1985 vielfältig berufspolitisch tätig. Im hier fraglichen Zeitraum arbeitete er bei der zu 6. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) ua als Obmann der Chirurgen, als Vorsitzender des Zulassungsausschusses, als Vorsitzender des Ausschusses “ambulantes Operieren„ und als alternierender Vorsitzender der Kommission “ambulantes Operieren„. Seit 1995 gehörte er der Kammerversammlung der Ärztekammer Bremen und der Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 6. an. Seit den Vorstandswahlen für die 12. Wahlperiode war er stellvertretender Vorsitzender der Beigeladenen zu 6.

Wegen dieser berufs- und standespolitischen Aktivitäten wollten die Kläger im Wege einer Sonderbedarfszulassung die Beigeladene zu 8. für ihre Gemeinschaftspraxis gewinnen. Nachdem ein Sonderbedarf sich nicht begründen ließ und die Kläger einen Entlastungsassistenten als nicht ausreichend empfanden, ließ der Zulassungsausschuss Bremen (im Folgenden: Zulassungsausschuss) mit Beschluss vom 14. Juni 2000 (gefasst in der Sitzung vom 5. Juni 2000) die Beigeladene zu 8. ab 1. August 2000 im Rahmen einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis mit den Klägern zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu. Gleichzeitig wurden für die Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis als Leistungsbegrenzung quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumina als Obergrenze festgelegt. Für die Berechnung wurden die Quartale II/1995 bis I/1996 zugrunde gelegt, und als Obergrenze

für das 1. Quartal eines jeden Jahres

2.824.488,6 Punkte,

für das 2. Quartal eines jeden Jahres

2.539.482,8 Punkte,

für das 3. Quartal eines jeden Jahres

2.473.481,2 Punkte und

für das 4. Quartal eines jeden Jahres

3.393.159,4 Punkte

festgesetzt.

In der Folgezeit kam es zu Nachfragen des Vorstandsmitglieds der Beigeladenen zu 6. Dr. I., auf welcher Grundlage für die Leistungsbeschränkung die Quartale II/1995 bis I/1996 und nicht - wie es im Gesetz vorgesehen sei - die letzten vier abgerechneten Quartale zugrunde gelegt worden seien. In der Sitzung des Zulassungsausschusses vom 19. Dezember 2001 wurde über den Sachstand und die weitere Vorgehensweise bzgl der Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis diskutiert. Dem Zulassungsausschuss lag ein Schreiben des Senators für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales vom 9. Oktober 2001 an die Beigeladene zu 6. vor, wonach deren gelieferte Daten nicht den Vorgaben der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinien - BedarfsplRL -) entsprächen. Zudem seien dem Zulassungsausschuss die korrekt ermittelten Daten zur Verfügung zu stellen und künftig für die Feststellung zur Leistungsbeschränkung nur unter Berücksichtigung dieser Rechtsauffassung zu ermitteln.

Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 13. Februar 2002 wurde die gemäß § 101 Abs 1 Nr 4, Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) iVm Abschnitt 4 Nr 23a - 23g BedarfsplRL sowie § 15 Abs 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) erteilte Zulassung der Beigeladenen zu 8. zum 31. Januar 2002 beendet. Zu diesem Zeitpunkt endete ebenfalls die Leistungsbeschränkung für die gemeinsame Tätigkeit iSd Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis.

In seinem Abschluss...

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