Entscheidungsstichwort (Thema)
Grenzen der Amtsermittlungspflicht des Gerichts
Orientierungssatz
1. Nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei ist eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichend. Die Glaubhaftmachung einer tatsächlichen Behauptung, etwa durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung, ist nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung oder ausnahmsweise aufgrund der Zweckbestimmung des Gesetzes ausreichend.
2. Macht der Antragsteller Leistungen geltend und liegen weder dem Leistungsträger noch dem Gericht Unterlagen zur Begründetheit des Anspruchs vor und verweigert dieser die Vorlage der erforderlichen Beweismittel, so endet damit die Amtsermittlungspflicht des Gerichts. In einem solchen Fall ist eine eidesstattliche Versicherung des Klägers kein taugliches Beweismittel.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 30. April 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehrt die Kostenerstattung wegen eines Pflegeheimaufenthalts in der Zeit vom 19. Dezember 2009 bis 1. Februar 2010 als Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Der 1942 geborene Kläger hält sich in E. ohne gemeldete Wohnanschrift auf, bezog bis Oktober 2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und erhielt anschließend eine Regelaltersrente in monatlicher Höhe von etwa 770,00 €. Nach einer Schulteroperation am 12. Oktober 2009 begab sich der Kläger in der Zeit vom 15. Oktober bis zum 26. November 2009 zu einem Kurzzeit- und einem sich anschließenden 14-tägigen Verhinderungspflegeaufenthalt in das Alten- und Pflegeheim F. (im Folgenden G.) in Hannover. Die Beklagte übernahm die Kosten für diesen Aufenthalt abzüglich eines Eigenanteils in Höhe von insgesamt 159,34 €, nachdem sich die von der beklagten Region herangezogene Landeshauptstadt (LHH) hierzu in einem gerichtlichen Eilverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hannover (- S 51 SO 344/09 ER -) mit Schriftsatz vom 24. September 2009 vorbehaltlich einer Bedarfsdeckung durch eigenes Einkommen oder Leistungen der Pflegekasse des Klägers verpflichtet hatte.
Nach einem weiteren Krankenhausaufenthalt sollte der Kläger ab 21. Dezember 2009 erneut zum Zwecke der Kurzzeitpflege im G. stationär aufgenommen werden. Auf die Weigerung des Klägers, den ausstehenden Eigenanteil (gegenüber dem G.) zu begleichen, lehnte die Heimleitung dessen Aufnahme in der Einrichtung allerdings ab. Zu einem (weiteren) Aufenthalt des Klägers im G. kam es im Anschluss nicht, obwohl sich die LHH in einem gerichtlichen Eilverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hannover (- S 51 SO 671/09 ER -; Aktenzeichen des LSG - L 8 SO 71/10 B ER -) mit Schriftsätzen vom 14. Dezember 2009 und 5. Januar 2010 bereit erklärt hatte, die durch die erneute Operation anfallenden Kosten der Kurzzeitpflege im Umfang des “Anerkenntnisses„ vom 24. September 2009 aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen, soweit diese nicht durch etwaige Leistungen der Pflege- bzw. Krankenkasse oder durch Einkommen des Klägers gedeckt seien.
Zwei Jahre später führte der Kläger in dem an die LHH gerichteten Schreiben vom 14. Dezember 2011 aus, dass die umfassende Pflegeversorgung vom 19. Dezember 2009 bis 1. Februar 2010 nach der erneuten Operation erfolgreich verlaufen sei. Gemäß dem Anerkenntnis im gerichtlichen Eilverfahren erwarte er bis zum 23. Dezember 2011 die Pflegekostenübernahme in Höhe von 4.246,00 €. Außerdem drohte er der LHH ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000,00 € sowie Klage auf Zahlung an. Die daraufhin (ohne Durchführung eines Verwaltungsverfahrens) vom Kläger beim SG erhobene Leistungsklage war aufgrund prozessualer Gründe erfolglos, erstinstanzlich mit der Begründung, es fehle an einem Vorverfahren als Prozessvoraussetzung (Gerichtsbescheid des SG vom 23. April 2012 - S 81 SO 623/11 -), zweitinstanzlich mangels Rechtsschutzbedürfnis. Einer Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes hätte es in diesem Einzelfall nicht bedurft, weil sich der Kläger wegen der vorherigen Zusicherung der Kostenübernahme mit entsprechenden Rechnungen oder sonstigen Belegen über den Pflegeheimaufenthalt zunächst an die Beklagte hätte wenden können (Urteil des LSG vom 18. Juli 2013 - L 8 SO 201/12 -).
Der Antrag auf Kostenübernahme vom 14. Dezember 2011 wurde nach Erhebung einer Untätigkeitsklage (- S 27 SO 320/12; L 8 SO 388/15 -) durch Bescheid der LHH vom 24. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 10. Juni 2014 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger ohne Nachweis eines Pflegeheimaufenthalts und der hierdurch entstandenen Kosten keine Leistungen der stationären Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII beanspruchen könne.
Die hiergegen vom Kläger am 10. Juli 2014 erhobene Klage hat das ...