Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Entlassungsentschädigung. ordentliche Unkündbarkeit. Anwendung der fiktiven Kündigungsfrist. tarifvertragliche Vereinbarung. Ausschluss der betriebsbedingten Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Die fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr nach § 143a Abs 1 S 4 SGB 3 (nunmehr: § 158 Abs 1 S 4 SGB 3) ist nicht anzuwenden, wenn zwar auf Grund einer tarifvertraglichen Regelung eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung zulässig ist, aber keine entsprechende Einschränkung für sonstige ordentliche Kündigungen gilt.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 24. Dezember 2006 bis zum 28. Februar 2007 und in diesem Zusammenhang darüber, ob der Anspruch wegen Zahlung einer Abfindung geruht hat.
Der 1964 geborene Kläger war seit dem 10. September 1997 bei der I. AG als Montagewerker beschäftigt. Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrag konnte das Arbeitsverhältnis durch die I. AG nach einer Werkszugehörigkeit von acht Jahren mit einer Kündigungsfrist von fünf Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Außerdem war auf das Arbeitsverhältnis eine am 1. Januar 1996 in Kraft getretene Tarifvereinbarung zur Sicherung der Standorte und der Beschäftigung anwendbar. Diese Vereinbarung enthielt folgende Regelung:
§ 5 Beschäftigungssicherung
Für die Laufzeit der Vereinbarung sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen.
Dies gilt nicht für betriebsbedingte Beendigungskündigungen in Verbindung mit sozialverträglichen Maßnahmen (z.B. Altersregelungen durch Sozialplan, sonstigen Abfindungsregelungen).
Im Einzelfall sind betriebsbedingte Änderungskündigungen mit Zustimmung des Betriebsrates zulässig.
Nach dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag zur nachhaltigen Zukunfts- und Beschäftigungsentwicklung (Zukunftstarifvertrag) war die genannte Tarifvereinbarung erstmals zum 31. Dezember 2011 kündbar.
Am 4. September 2006 schlossen der Kläger und die I. AG einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. September 2006 endete und der Kläger eine Abfindung in Höhe von 126.720 € erhielt. Am 6. September 2006 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Zu den Gründen für den Abschluss des Aufhebungsvertrages gab er an, dass er auf Grund von Umstrukturierungen und erhöhtem Arbeitsdruck gesundheitliche Probleme (Schlafstörungen, Magenbeschwerden, Erschöpfungszustände) gehabt habe. Die Versuche, eine andere Stelle bei seiner Arbeitgeberin zu erhalten, seien erfolglos geblieben. Das Abfindungsangebot sei bis zum 30. September 2006 befristet gewesen. In der eingereichten Arbeitsbescheinigung gab die I. AG an, dass eine ordentliche Kündigung für sie nicht ausgeschlossen und (tarif-) vertraglich nicht nur bei einer Abfindung, Entschädigung oder ähnlichen Leistung zulässig gewesen sei. Sie gab aber an, dass die ordentliche Kündigung im vorliegenden Fall nur auf Grund der Zahlung einer Abfindung möglich gewesen sei.
Nachdem der Kläger am 29. September 2006 mitgeteilt hatte, dass er am 2. Oktober 2006 eine berufliche Tätigkeit aufnehme, meldete er sich am 5. Oktober 2006 erneut arbeitslos. Er gab an, dass ein Arbeitsvertrag entgegen seiner Erwartung nicht zustande gekommen sei, weil die potentielle Arbeitgeberin, die J. K. GmbH, die beim Einstellungsgespräch getroffenen Absprachen nicht eingehalten habe. Ihm sei zunächst eine unbefristete Anstellung zugesagt worden, bei Aufnahme der Tätigkeit aber eröffnet worden, dass er zunächst ein vierwöchiges Praktikum absolvieren solle. Außerdem seien von ihm freiwillige Mehrarbeit an Wochenenden und Schichtdienst erwartet worden, obwohl dies im Einstellungsgespräch nicht thematisiert worden sei.
Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1. Oktober 2006 bis zum 23. Dezember 2006 ab und stellte die Minderung der Anspruchsdauer um 90 Tage fest. Zur Begründung verwies sie darauf, dass eine Sperrzeit eingetreten sei, weil der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis bei der I. AG durch Abschluss des Aufhebungsvertrages gelöst und damit seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe (Bescheid vom 8. Januar 2007). Außerdem lehnte sie die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 24. Dezember 2006 bis zum 17. März 2007 ab und stellte die Minderung der Anspruchsdauer um weitere 84 Tage fest. Diese Entscheidung stützte sie darauf, dass der Kläger das Beschäftigungsverhältnis bei der J. K. GmbH durch seine Kündigung selbst gelöst habe (Bescheid vom 5. Januar 2007). Mit weiterem Bescheid vom 5. Januar 2007 lehnte sie die Bewilligung von Alg für die Zeit bis zum 4. September 2007 mit der Begründung ab, dass der Anspruch auf Alg w...