Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung. Anwendung von Art 27 SozSichAbk POL und Anwendbarkeit des RV/UVAbk POL. gewöhnlicher Aufenthalt. Aufenthaltsstatus. unbefristeter rechtmäßiger Aufenthalt

 

Orientierungssatz

Bei Anwendung von Art 27 Abs 3 SozSichAbk POL muss zum Stichtag 30.6.1991 ein unbefristeter rechtmäßiger Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vorgelegen haben, damit überhaupt ein gewöhnlicher Aufenthalt bzw ein "Wohnen" im Bundesgebiet zum Stichtag angenommen werden kann (so auch BSG vom 16.6.2015 - B 13 R 36/13 R = juris RdNr 30). Dagegen ist der Aufenthaltstitel im Rahmen der Prüfung des Art 27 Abs 2 SozSichAbk POL zum Stichtag 31.12.1990 lediglich ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Prognoseentscheidung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.06.2020; Aktenzeichen B 5 R 301/19 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 6.9.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Klage- und Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von in der Volksrepublik Polen zurückgelegten Versicherungszeiten im Rahmen der Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er ist weder als Spätaussiedler noch als Vertriebener anerkannt. Der Kläger reiste am M. 1987 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am N. 1987 stellte er bei der Freien Hansestadt Bremen einen Antrag auf Gewährung von Asyl, den das Bundesamt für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom O. 1988 ablehnte. Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Bremen mit Urteil vom P.1989 ab. Die gegen die Nichtzulassung der Berufung erhobene Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht Bremen mit Beschluss vom Q. 1989 rechtskräftig zurück, so dass der Ablehnungsbescheid bestandskräftig wurde. Während des laufenden Asylverfahrens war der Aufenthalt des Klägers vom N. 1987 bis R. 1989 gestattet. Anschließend war sein Aufenthalt vom S. 1989 bis T. 1991 geduldet. Vom U. 1991 bis V. 1992 bestand eine Aufenthaltsbefugnis. Deren Erteilung war jedoch zunächst am W. 1991 mündlich abgelehnt worden, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt keinen gültigen Reisepass vorlegen konnte. Vom X. 1992 bis Y. 1992 war der Kläger ausreisepflichtig. Nach einer erneuten Duldung vom Z. 1992 bis Z. 1993 wurden dem Kläger für den Zeitraum Y. 1993 bis AA. 1999 wiederholt befristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt. Seit dem AB. 1999 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.

Die Ehefrau des Klägers reiste am AC. 1987 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie ist ebenfalls nicht als Vertriebene oder Spätaussiedlerin anerkannt (vgl. Antrag vom Q. 1987). Mit Bescheid vom AD. 2004 erkannte die Beklagte ihre in Polen zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungs- sowie Kindererziehungszeiten nicht unter Anwendung des Fremdrentengesetzes (FRG) an. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom AE. 2006) erhob sie Klage beim Sozialgericht (SG) Bremen (Az. S 11 R 179/06) mit dem Ziel der Anerkennung ihrer in der Volksrepublik Polen zurückgelegten Beitrags-, Beschäftigungs- und Kindererziehungszeiten. Gegen das zusprechende Urteil vom 17.2.2009 legte die Beklagte Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen (Az. L 1 R 263/09) ein. Mit Urteil vom 26.5.2011 hob das LSG die Entscheidung des SG auf und wies die Klage der Ehefrau ab, ließ aber gleichzeitig die Revision zu. Das beim Bundessozialgericht (BSG) durchgeführte Revisionsverfahren (Az. B 13 R 80/11 R) endete mit einer Berufungsrücknahme durch die Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 10.12.2013, nachdem der Vorsitzende sie darauf hingewiesen hatte, dass die Ehefrau des Klägers zum relevanten Stichtag 30.6.1991 eine Aufenthaltsbefugnis besessen hatte. Tatsächlich war der Ehefrau des Klägers bereits ab dem 19.4.1991 eine solche erteilt worden.

Der Kläger bezog seit dem 1.1.2006 bis zum 30.9.2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (vgl. Bescheide vom 1.12.2006 und 9.4.2008). Mit Bescheid vom 25.2.2009 stellte die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung neu fest. Dabei führte sie zwar in dem Versicherungsverlauf Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung sowie Pflichtbeitragszeiten vom 22.4.1968 bis 31.8.1987 in der Volksrepublik Polen auf, berücksichtigte diesen Zeitraum bei der Errechnung der Entgeltpunkte aber nicht.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem am 23.3.2009 eingelegten Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er spätestens am 31.12.1990 und fortan ununterbrochen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Die Berücksichtigung rentenrechtlicher Zeiten in Polen vor dem 1.1.1991 folge aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über die Renten- und Unfallversicherung vom 9.10.1975 (Abk Polen RV/UV). Gemäß Art. 27 des A...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge