Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Abrechnung einer ambulanten Operation. Dokumentation durch ordnungsgemäßen Operationsbericht
Leitsatz (amtlich)
Die Abrechnung einer ambulanten Operation nach dem Abschnitt 31.2 EBM 2005 (juris: EBM-Ä 2005) setzt deren Dokumentation durch einen ordnungsgemäßen Operationsbericht voraus.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 11. Juli 2012 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 64.390 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger nimmt als Facharzt für Urologie mit Praxissitz in I. (J.) an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit seiner Klage wendet er sich gegen die Neufestsetzung seiner Honorare für die Quartale III/2005 - IV/2007 wegen fehlerhaft abgerechneter ambulanter Operationsleistungen.
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) hob die für die Quartale III/2005 bis IV/2007 ergangenen Honorarbescheide mit Bescheid vom 21. April 2009 teilweise auf und setzte ein um insgesamt 64.389,86 Euro verringertes Honorar fest; das überzahlte Honorar wurde zurückgefordert. Bei Durchsicht der Honorarabrechnungen des Klägers sei aufgefallen, dass er überdurchschnittlich viele endoskopische urologische Eingriffe nach den Ziffern 31282, 31283 und 31284 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM; in der ab 1. April 2005 geltenden Fassung) abgerechnet habe. Nach Überprüfung der Operationsberichte bzw der dazugehörigen histologischen Befunde für zehn namentlich benannte Patienten je Quartal habe sich ergeben, dass die Abrechnungsvoraussetzungen der genannten EBM-Nrn im überwiegenden Teil der von den Stichproben erfassten Fälle nicht erfüllt gewesen seien. Anstatt der dort geregelten Resektion habe es sich um eine bloße Probeexzision gehandelt. Da wegen der Falschansätze die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärungen weggefallen sei, hätten die Honorare auf der Grundlage einer Schätzung neu festgesetzt werden müssen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. September 2009).
Am 15. Oktober 2009 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Die Argumentation der Beklagten, aus dem Umfang der bei den Eingriffen entnommenen Gewebspräparate lasse sich schließen, dass es sich lediglich um Probeexzisionen gehandelt habe, sei medizinisch unzutreffend. Dies gelte auch, soweit daraus, dass in den histologischen Berichten keine Koagulationsartefakte vermerkt worden seien, auf eine bloße Probeexzision geschlossen worden sei. Weiterhin sei es nicht korrekt, dass bei allen Laser-destruktionen Gewebe entnommen werden müsse. Bei den von der Beklagten namentlich angeführten Patienten seien deshalb die in Ansatz gebrachten Gebührenordnungspositionen zutreffend abgerechnet worden. Zumindest hätte die Gebührenordnungsnummer 26351 in den gestrichenen Fällen anerkannt werden müssen.
Mit Urteil vom 11. Juli 2012 hat das SG Hannover den Bescheid vom 21. April 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2009 aufgehoben. Anhand der vorliegenden Unterlagen könne sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass der Kläger die abgerechneten Resektionen tatsächlich nicht erbracht habe. Die Operationsberichte seien zwar sehr kurz. Da es sich aber um kleinere operative Eingriffe an der Blase gehandelt habe und diese ein sehr übersichtliches Organ sei, sei weder die ausführliche Beschreibung des Verlaufs des Eingriffs noch die Benennung der Entnahmestelle von Gewebe erforderlich gewesen. Auch aus der Größe der entnommenen Gewebspartikel und dem Fehlen von Koagulationsartefakten sei nicht unbedingt abzuleiten, dass tatsächlich kein Laser eingesetzt und eine Resektion nicht durchgeführt worden sei. Es bestünden zwar durchaus Anhaltspunkte für eine falsche Abrechnung, angesichts fehlender ausreichender Indizien könne diese aber nicht festgestellt werden.
Gegen das ihr am 30. Juli 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29. August 2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, dass der Kläger die durchschnittliche Abrechnungshäufigkeit der EBM-Ziffern 31282 bis 31284 in einigen Quartalen um 406,9 vH bis 1.170,4 vH überschritten habe. In späteren Quartalen habe der Kläger auch mehrfach sein fehlerhaftes Abrechnungsverhalten eingestanden. Zu Unrecht hätte er die Leistungsbeschreibung des Operationsschlüssels (OPS) 5-573.40 so interpretiert, dass jegliche Exzision von Gewebe in der Blase die Abrechnung dieses OPS-Codes und der dort hinterlegten Ziffern rechtfertigen würde. Die Einschätzung des SG, eine ausführlichere Beschreibung des Verlaufs des Eingriffs sei nicht erforderlich, könne nicht geteilt werden. Aus den vorliegenden Operationsberichten ergebe sich nicht, dass der Leistungsinhalt der abgerechneten Ziffern erfüllt sei, sond...