Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Beendigung der Kassenzulassung wegen Erreichens der 68-Jahres-Altersgrenze. Erledigung eines Beschlusses des Berufungsausschusses bei bestandskräftiger Zulassung eines anderen Arztes. Rechtmäßigkeit der Altersgrenze nach dem Inkrafttreten des GKV-OrgWG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Beschluss des Berufungsausschusses, in dem festgestellt wird, dass die Zulassung als Vertragsarzt nach Vollendung des 68. Lebensjahrs endet, ist erledigt, wenn ein anderer Arzt für den betreffenden Vertragsarztsitz inzwischen bestandskräftig zugelassen worden ist.

2. Zur Rechtmäßigkeit der bisherigen vertragsärztlichen Altersgrenze nach Inkrafttreten des GKV-OrgWG.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.08.2010; Aktenzeichen B 6 KA 18/10 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 7., die ihre Kosten selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 183.023,76 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Beklagten, seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung habe am 31. März 2007 aus Altersgründen geendet.

Der am 24. März 1939 geborene Kläger ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Seit dem 3. Dezember 1973 war er mit Sitz in G. (Landkreis H.), I., zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Schreiben vom 14. September 2006 beantragte er bei der Beigeladenen zu 1. eine Ausnahmegenehmigung zum Weiterbetrieb seiner Praxis nach Vollendung seines 68. Lebensjahres. Zur Begründung machte er geltend, der die Altersgrenze enthaltende § 95 Abs 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verstoße gegen höherrangiges Recht. Zu seinen Gunsten sei außerdem zu berücksichtigen, dass sich wegen fehlender Attraktivität seines Praxisstandortes kein Juniorpartner für seine Praxis finde und sein Sohn seine Facharztausbildung noch nicht beendet habe. Er wies außerdem auf seine besondere Qualifikation für lokale Besonderheiten in J. sowie auf die schlechte gynäkologische Versorgungslage in J. (16.000 Einwohner) hin.

Der Zulassungsausschuss Hannover lehnte den Verlängerungsantrag mit Beschluss vom 5. Dezember 2006 ab und stellte fest, dass die Zulassung des Klägers am 31. März 2007 ende. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung der Zulassung lägen nicht vor. Die bestehende Regelung führe vielmehr dazu, dass bei Erreichen der Altersgrenze die Zulassung als Vertragsarzt unmittelbar kraft Gesetzes ende. Die gesetzliche Altersbegrenzung sei im Übrigen durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), das Bundessozialgericht (BSG) und verschiedene Landessozialgerichte (LSG) als rechtmäßig bestätigt worden.

Gegen den am 22. Februar 2007 abgesandten Beschluss legte der Kläger am 27. Februar 2007 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er an, die Vorschriften über die vertragsärztliche Altersgrenze von 68 Jahren seien mit dem Grundgesetz (GG) nicht vereinbar. Die anderslautende Rechtsprechung des BVerfG, wonach die Altersgrenze dem Gesundheitsschutz der Versicherten diene, sei nach dem Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes (VÄndG) am 1. Januar 2007 nicht mehr aufrecht zu erhalten. Wenn hiermit Ausnahmeregelungen für unterversorgte Gebiete eingeführt worden seien, gehe der Gesetzgeber davon aus, dass die Berufsgruppe der Ärzte auch mit Erreichen der Altersgrenze von 68 Jahren in der Lage und geeignet sei, ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit vollumfänglich nachzukommen. Damit trage der Gesetzgeber sowohl der demographischen Entwicklung als auch Erkenntnissen der Gerontologie Rechnung. Eine differenzierende Regelung allein für Ärzte in unterversorgten Gebieten verletze sein Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art 3 Abs 1 GG. Die Altersgrenze verstoße schließlich auch gegen die Richtlinie (RL) des Rates der Europäischen Union 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, die einer Ungleichbehandlung wegen Alters entgegen stehe.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Beschluss vom 21. März 2007 - an den Kläger abgesandt am 20. April 2007 - zurück. Die Zulassung des Klägers ende gemäß § 95 Abs 7 Satz 3 SGB V mit Ablauf des März 2007. Eine Ausnahme hiervon komme nicht in Betracht, weil der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Planungsbereich Landkreis H. nicht festgestellt habe, dass dort für Frauenärzte eine ärztliche Unterversorgung eingetreten sei oder unmittelbar drohe. An die gesetzlichen Vorgaben sei der Beklagte gebunden.

Hiergegen hat der Kläger am 24. April 2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, mit der er seine Auffassung bekräftigt hat, die Altersgrenze von 68 Jahren sei mit dem GG nicht vereinbar und verstoße gegen Europarecht. Sie sei auch nicht durch § 8 des Allg...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge