nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahrscheinlichkeit. MdE. Besondere berufliche Betroffenheit. Stützrente
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Ursachenzusammenhang ist dann wahrscheinlich, wenn nach Feststellung, Prüfung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles – im sozialmedizinischen Bereich auch unter Berücksichtigung (nur) der gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse –insgesamt deutlich mehr für als gegen das Bestehen des Ursachenzusammenhanges spricht.
2. Gesundheitsschäden an beiden Händen und Verletzungen rechts- und linksseitig sind gleich zu bewerten; eine seitendifferente MdE-Schätzung nach Gebrauchs- und Hilfshand ist nicht mehr zu begründen.
3. Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung einer besonderen beruflichen Betroffenheit sind insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung, die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und der Umstand, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete.
4. Gesundheitsschäden, die auf mehreren Arbeitsunfällen beruhen, sind jeweils getrennt zu beurteilen und zu bewerten; eine Gesamt-MdE wird nicht gebildet.
Normenkette
SGB X § 48; RVO §§ 547, 581 Abs. 2-3
Verfahrensgang
SG Stade (Entscheidung vom 11.04.2001; Aktenzeichen S 7 U 57/00) |
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Berufungskläger begehrt die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 20 v.H. der Vollrente. Insbesondere ist zwischen den Beteiligten streitig, ob in den Folgen des Arbeitsunfalles vom 02. Februar 1987 eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist.
Der 1945 geborene Berufungskläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er ist gelernter Schweißer. Seit 1982 arbeitet er im Fischereihafen D., und zwar zunächst als Aushilfe und seit Januar 1987 fest angestellt in der Fischverladung.
In der Vergangenheit erlitt der Berufungskläger zwei Arbeitsunfälle.
Der erste Arbeitsunfall ereignete sich im November 1975, bei welchem er sich beim Montieren von Muschelsaugrohren den rechten Zeigefinger klemmte und sich einen Bruch des Mittelgliedes dieses Fingers zuzog. Diese Verletzung wurde vom Kapitän mit einem Verband versorgt. Ärztliche Behandlung wurde nicht in Anspruch genommen. Arbeitsunfähigkeit trat nicht ein. Nach Einholung des Gutachtens des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. E. vom 15. Oktober 1990 erkannte die See-Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 25. Januar 1991 als Arbeitsunfallfolgen
"Röntgenologisch erkennbare Veränderungen im ehemaligen Verletzungsbereich. Einschränkung der Beweglichkeit im Endgelenk des rechten Zeigefingers. Subjektive Beschwerden im Verletzungsbereich"
an. Nach dem Inhalt dieses Bescheides bedingten diese Arbeitsunfallfolgen zwar über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus bis zum 31. März 1976 eine MdE von 10 v.H., ein Anspruch auf Verletztenrente wurde dadurch jedoch nicht begründet, weil für diesen Zeitraum keine stützenden Arbeitsunfallfolgen bekannt seien und der Anspruch im Übrigen verjährt sei, weil der Unfall erstmals am 09. April 1987 gemeldet worden sei. Nach dem 31. März 1976 werde durch die vorgenannten Arbeitsunfallfolgen keine MdE messbaren Grades (mindestens 10 v.H.) mehr bedingt. Die Folgen des Arbeitsunfalles vom 02. Februar 1987, für den die Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft zuständiger Unfallversicherungsträger sei, könnten nicht berücksichtigt werden.
Am 02. Februar 1987 erlitt der Berufungskläger einen zweiten Arbeitsunfall. Während seiner Tätigkeit als Fischlöscher bei dem Seefischmarkt in D. löschte der Berufungskläger Rotbarsch mit einem Haken und erhielt während dieser Tätigkeit einen Stich durch einen Rotbarschstachel in den 5. Finger rechts (Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr. F. vom 03. Februar 1987). Nach Entfernung des Stachels und Anlegen eines Verbandes entwickelte sich im Rahmen einer Infektion eine osteolytische Destruktion, die schließlich zur Amputation des linken Kleinfingers und der Hälfte des 5. Mittelhandknochens führte (Bericht des Chirurgen Dr. G. vom 26. Februar 1987). Ende März 1987 stellte sich der Berufungskläger erneut bei Dr. F. vor und wies auf eine Teilversteifung des 2. Fingers der rechten Hand infolge eines Unfalles von November 1975 hin. Die insoweit zuständige See-Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Arbeitsunfalles zunächst durch formloses Schreiben vom 07. Mai 1987 ab, nahm anschließend jedoch die Ermittlungen zum Unfallhergang auf. Der Arzt für Chirurgie Dr. E. fand am 06. August 1987 bei dem Berufungskläger einen Zustand nach Amputation des 5. Fingers rechts einschließlich eines Teils des Mittelhandknochens, eine Handverschmächtigung und Minderung der groben Kraft der rechten Hand mit endgradiger Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes sowie Missempfindungen durch ein Narbenneurom und hielt für die Zeit vom 11. Juni 1987 - Tag der er...