Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Planbarkeit von Krankenhausleistungen iS der gesetzlichen Mindestmengenregelung. Anforderungen an die Prognose nach § 137 Abs 3 S 2 SGB 5 für Knie-TEPs. Konfrontation mit niedergelassenen Orthopäden als Krankenhauseinweiser aufgrund eines integrierten Versorgungsvertrages. Stationäre Behandlung. Qualitätssicherung. Versorgungsauftrag. Unfallchirurgie. Treu und Glauben
Orientierungssatz
1. Der Gesetzgeber ist mit der Regelung des § 137 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 5 in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise davon ausgegangen, dass die Leistungserbringung im Krankenhaus neben weiteren Anforderungen zur Qualitätssicherung unter besonderen Voraussetzungen auch an die Einhaltung von Mindestmengen geknüpft werden darf (vgl BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R = BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1).
2. Das Leistungsverbot in § 137 Abs 1 S 4 SGB 5 aF wird auf eine Vermutung begründet. Dabei ist die Vorhersage von den Pflegesatzpartnern bei der prospektiven Verhandlung des Budgets zu treffen und wird maßgeblich durch die Fallzahlen des Vorjahres bestimmt.
3. Ein zugelassenes Krankenhaus kann Anfang des Jahres nicht davon ausgehen, dass es voraussichtlich im laufenden Jahr die Mindestmenge für Kniegelenks-Totalendoprothesen nicht erreichen wird, wenn eine Konfrontation mit niedergelassenen Orthopäden als Krankenhauseinweiser aufgrund eines integrierten Versorgungsvertrages für totale Endoprothesen des Hüftgelenks mit Auswirkungen auf das Einweisungsverhalten erst im Vorjahr beigelegt werden konnte.
Normenkette
SGB V a.F. § 137 Abs. 1; SGB V § 39 Abs. 1 S. 2, § 109 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 3; KHEntgG § 8 Abs. 1 S. 4 Nr. 1; BGB § 242
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 28. Juli 2011 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.231, 53 € für die stationäre Behandlung der Versicherten I. in der Zeit vom 19. Januar 2006 bis 3. Februar 2006 nebst 2 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab 22. Februar 2006 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auf 6.231, 53 € festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Vergütung von stationärer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin, die J. -Kliniken - Marienhospital K., behandelten in der Zeit vom 19. Januar 2006 bis zum 3. Februar 2006 die am 8. Juni 1935 geborene Versicherte der Beklagten L.. Die Klägerin führte bei dieser einen Endoprotheseneingriff am Kniegelenk durch und stellte der Beklagten dafür am 7. Februar 2006 6.251,53 € in Rechnung (DRG I44B, OPS -Code 5-822.01).
Die Klägerin hatte in den Jahren 2003 66 Kniegelenks-Totalendoprothesen (Knie-TEP), 2004 64 und 2005 35 durchgeführt. Im Jahr 2006 führte sie 18 Knie-TEP durch.
Die Beklagte lehnte eine Vergütung ab.
Die Klägerin erhob am 9. Januar 2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück. Sie führte aus, dass die Beklagte auf die Zahlungsaufforderung der Klägerin ohne Angaben von Gründen den Rechnungsausgleich verweigert habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) würde der Vergütungsanspruch unabhängig davon eintreten, ob ein Prüfungsverfahren zur Notwendigkeit und Dauer einer Krankenhausbehandlung noch eingeleitet werden solle oder ein solches noch nicht abgeschlossen sei.
Die Beklagte wies darauf hin, dass sie keine Kostenübernahmeerklärung abgegeben habe, weil die Leistung außerhalb des Versorgungsauftrages des Marienhospitals K. gelegen habe. Der Sicherstellungsvertrag nach § 112 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe nur Gültigkeit für Leistungen, die sich im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses bewegten. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Auf der Grundlage des § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB V habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) am 16. August 2005 beschlossen, für die Leistung “Kniegelenk-Totalendoprothese (Knie-TEP)„ ab dem 1. Januar 2006 eine verbindliche Mindestmenge von 50 Eingriffen pro Krankenhaus pro Jahr festzulegen. Eine Übergangsregelung habe vorgesehen, dass Krankenhäuser, die knapp unter dieser Menge gelegen hätten (40 bis 49 Eingriffe pro Jahr) und im BQS-Verfahren zur stationären Qualitätssicherung 2004 die geforderten Kriterien erfüllt hätten, die Leistung 2006 noch hätten erbringen und abrechnen dürfen. Bei der Klägerin seien im Jahre 2005 nach eigenen Angaben lediglich 35 Knie-TEPs implantiert. Auf die näheren Gründe komme es nicht an. Die Übergangsregelung, die 40 bis 49 Eingriffe vorsehe, finde keine Anwendung. Der Grenzwert des GBA sei sachgerecht und werde von der Klägerin nicht erfüllt. Ausnahmetatbestände nach § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V oder § 137 Abs.1 Satz 5 SGB V lägen nicht vor.
Das SG Osnabrück hat die Klage mit Urteil vom 28. Juli 2011 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe der Vergütungsanspruch nicht zu. Dem grundsätzlich gegebenen Vergütungsanspruch bei Erbringung stationärer Leistu...