Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Medizinischer Dienst der Krankenversicherung ≪MDK≫. Sechs-Wochen-Frist zur Einleitung der Prüfung einer Krankenhausbehandlung. Auskunfts- und Prüfpflichten auf drei Ebenen. Fristversäumnis. Verzicht auf medizinische Begründung durch die Krankenkasse. einheitlicher Einwendungsausschluss

 

Orientierungssatz

1. Im Verhältnis zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) bestehen Auskunfts- und Prüfpflichten auf drei Ebenen (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 24).

2. Ist - auf der dritten Stufe des Schemas - die Sechs-Wochen-Frist durch den MDK/die Krankenkasse versäumt, kommt es zu einem Einwendungsausschluss, der auch im gerichtlichen Verfahren fortgilt. Rechtsfolge der Ausschlussfrist ist, dass die Krankenkasse und der MDK bei der Abrechnungsprüfung nach Fristversäumnis fortan auf diejenigen Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der Krankenkasse auf den ersten beiden Stufen der Sachverhaltsermittlung - deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt - zur Verfügung gestellt hat (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R aaO).

3. Eine unzureichende medizinische Begründung in der Meldung nach § 301 SGB 5 kann nicht zur Entlastung der Krankenkasse führen, wenn die Krankenkasse auf die medizinische Begründung vollends verzichtet, weil sie - rechtsfehlerhaft - eine reine Rechtsfrage ohne medizinischen Zusammenhang für gegeben hält (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R aaO).

4. Die Fristversäumnis nach § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 bewirkt einen einheitlichen Ausschluss gegenüber der gesamten, vom Krankenhaus zur Abrechnung übermittelten Rechnung, nicht aber einen nur teilweisen Einwendungsausschluss, beschränkt auf diejenigen Abrechnungspositionen, die ausschließlich einer rechtlichen Prüfung und damit nicht einer Einschaltung des MDK bedürften.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 01.07.2014; Aktenzeichen B 1 KR 1/13 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten auch des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 69,32 €.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Krankenhausvergütung. Anlass sind eine im Krankenhaus durchgeführte ambulante Operation sowie am Vortage durchgeführte Voruntersuchungen (Labor).

Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus mit Berechtigung zu ambulanten Operationen sowie stationsersetzenden Eingriffen nach § 115b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und dem AOP-Vertrag (in der Fassung vom 17. August 2006). Die Abrechnung entsprechender Leistungen für Versicherte der Beklagten wird von der Klägerin direkt mit der Beklagten vorgenommen.

Im März 2009 wurde die bei der Beklagten versicherte und im Jahr 1975 geborene Frau J. von ihrer behandelnden niedergelassenen Gynäkologin zur Durchführung einer therapeutischen Kürettage (Abort mit Ausschabung der Gebärmutterschleimhaut) in das Krankenhaus der Klägerin zur Durchführung der ambulanten Operation überwiesen.

Im Krankenhaus wurden am 10. März 2009 - neben einer Sonographie der weiblichen Genitalorgane - mehrere Laborparameter erhoben (präoperative Laborleistungen), eine Aufklärung der Versicherten über den ambulanten Eingriff durchgeführt und eine präanästhesiologische Untersuchung vorgenommen. Am 11. März 2009 erfolgte der ambulante Eingriff.

Die Klägerin stellte unter dem 2. April 2009 der Beklagten eine Rechnung in Höhe von 356,58 €, die ua. enthielt

- die fachspezifische gynäkologische Grundpauschale nach EBM 08211  sowie

- präoperative Laboruntersuchungen nach EBM 32560, 32541, 32545 und 32083.

Die Beklagte zahlte die Rechnung unter einem Einbehalt in Höhe des - vorliegend streitigen - Betrages von 69,32 €, indem sie

- statt der fachspezifischen Grundpauschale nach EBM 08211 die gynäkologische Konsultationspauschale nach EBM 01436 ansetzte

- die genannten präoperativen Laboruntersuchungen nicht vergütete.

Ein Prüfverfahren des MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V leitete die Beklagte - dies ist unter den Beteiligten unstreitig - nicht ein.

Mit ihrer am 3. November 2009 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung der einbehaltenen ca. 70,-- € begehrt und zur Begründung geltend gemacht:

Die Beklagte sei nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V mit Einwendungen gegen die Ab-rechnung ausgeschlossen. Denn nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sei ein MDK-Prüfverfahren auch zum Zwecke der Überprüfung einer “ordnungsgemäßen Abrechnung„ durchzuführen, was die Beklagte unterlassen habe. Die in § 275 Abs. 1c SGB V genannte Sechs-Wochen-Frist sei eine Ausschlussfrist, so dass die Beklagte nunmehr keinerlei Einwendungen mehr gegen die Abrechnung erheben könne.

Im Übrigen sei die fachspezifische Grundpauschale zu Recht abgerechnet worden. Die Pauschale setze nach der einschlägigen EBM-Ziffer (i.d.F. d. EBM 2008) voraus, dass es mindestens zu zwei persönlichen Arzt-Patienten-Kontakten gekommen sei. Dies sei im März 20...

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