Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz bei einem Verkehrsunfall. Beitragsregress. Neuberechnung. Berücksichtigung von Beitragszahlungen durch den Haftpflichtversicherer. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Durch Verschlechterungen bei der Bewertung von rentenrechtlichen Zeiten ua durch das WFG und durch das RRG 1992 kann es zu der Fallkonstellation kommen, dass sich mehrjährige Beitragszahlungen durch die Haftpflichtversicherung, die nach einem Verkehrsunfall im Rahmen eines Vergleichs erfolgten, nicht rentenerhöhend bei einer Umwandlung einer Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Altersrente auswirken.

2. Eine Wiederaufnahme eines Beitragsregressverfahrens und die beantragte Erweiterung der Beitragszahlung durch die Haftpflichtversicherung nach einem geschlossenen Vergleichs ist ua wegen dem vereinbarten Ausschluss weiterer Ansprüche der Vertragsparteien, nicht möglich.

3. Die Änderungen im Bereich der rentenrechtlichen Bewertung der ersten Ausbildungsjahre ist verfassungsgemäß (vgl BVerfG vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 = BVerfGE 117 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7).

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der von der Beklagten an den Kläger gezahlten Altersrente für schwerbehinderte Menschen (AR).

Der im Dezember 1941 geborene Kläger hat eine Lehre zum Schiffbauer absolviert (1958 bis 1961) und von 1961 bis zu einem Unfallereignis im Jahre 1985 zeitweise als Arbeiter im Hafen, zeitweise als Arbeiter in der gewerblichen Fertigung sowie zeitweise als Schiffbauer gearbeitet, jeweils unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit.

Anlässlich eines (nicht als Wegeunfall) stattgehabten Verkehrsunfalles des Klägers am 11. Dezember 1985 (der Kläger wurde beim Überqueren einer Kreuzung durch eine Kfz angefahren) erlitt er erhebliche Verletzungen im Bereich der unteren Extremitäten (Schien- und Wadenbein-Bruch, Knieschaden), war zunächst arbeitsunfähig (Krankengeld-Bezug) und bezog schließlich von der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), zunächst in Gestalt mehrerer Zeit-Renten, ab April 1990 als Dauerrente.

Die Beklagte führte zunächst kein Beitragsregressverfahren gemäß § 119 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen den gegnerischen Haftpflichtversicherer (T Versicherung) durch, da der Kläger nach der bis zum 31. Dezember 1991 maßgeblichen Gesetzes - und Rechtssprechungs-Lage über eine sogenannte "unfallfeste Position" verfügt habe. Nach einer Änderung der Rechtslage zum 1. Januar 1992 (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 92) trat die Beklagte in das Beitragsregressverfahren gegen die Haftpflichtversicherung ein und schloss einen Vergleich dahingehend, dass für die Zeit von 1992 an von einem unfallbedingten Bruttolohn-Verlust des Klägers von 42.000,- DM/Jahr auszugehen, dieser an die allgemeine Lohnentwicklung anzupassen und die Regressierung des Beitragsschadens auf die Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 2001 zu beschränken sei, da der Kläger ab 1. Januar 2002 eine abschlagsfreie AR beziehen könne. Über den Vergleich informierte die Beklagte den Kläger und dessen seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten.

Im Januar 2002 stellte der Kläger bei der Beklagten den zu diesem Verfahren führenden Antrag auf AR, der von der Beklagten mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 31. Januar 2003 dahingehend beschieden wurde, dass dem Kläger AR mit Wirkung ab 1. Januar 2002 mit einem monatlichen Zahlbetrag von ca. 800,- Euro gezahlt wurde. Ausweislich des beigefügten Versicherungskontos seien nach der entsprechend dem Vergleich erfolgten Beitragszahlung durch den Haftpflichtversicherer für die Jahre 1992 bis 2000 Bruttolohn-Verdienste in Höhe von 42.000,- DM/Jahr ansteigend bis auf 48.000,- DM/Jahr zugrunde gelegt worden.

Der Kläger erhob Widerspruch, hielt die Rentenhöhe für nicht nachvollziehbar und führte zur Begründung aus, es sei nicht erklärlich, warum der Rentenzahlbetrag der AR demjenigen der zuvor gezahlten EU-Rente entspreche, obwohl zwischenzeitlich der gegnerische Haftpflichtversicherer die regressierten Beiträge nachgezahlt habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. März 2003 zurück, verteidigte die vorgenommene Rechnung der Rentehöhe als rechtmäßig und führte zur Begründung u. a. aus: Maßgebliche Rechtslage zur Berechnung der Rentenhöhe sei der Zeitpunkt des Leistungsbeginns, vorliegend also der Januar 2002. Zu diesem Zeitpunkt seien im Vergleich zur früher gezahlten EU-Rente jedoch die Rechtsänderungen des Wachstums- und Beschäftigungsförderungs-Gesetzes (WFG) zu beachten, dass am 1. Januar 1997 in Kraft getreten sei. Das WFG habe unter anderem dazu geführt, dass die ersten 48 Kalandermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung, also letztlich die Zeit der Berufsausbildung, für neu beginnende Renten deutlich niedriger bewertet würden. Dies gelte im Falle des Klägers auch unter Hinzurechnung der inzwischen regressierten Beiträge. Ein Minderzahlbetrag gegen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge