Rechtskraft: nein (nach Zurückverweisung vom BSG – B 11 AL 69/02 R – jetzt anhängig unter L 8 AL 220/03 ZVW)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sperrzeit. Alkohol. Führerschein. Privatfahrt. Kündigung, personenbedingt. Verhalten, arbeitsvertragswidrig
Orientierungssatz
Verliert ein Berufskraftfahrer die Fahrerlaubnis aufgrund einer privaten Trunkenheitsfahrt und wird er deswegen personenbedingt gekündigt, tritt keine Sperrzeit wegen vertragswidrigen Verhaltens ein.
Normenkette
SGB III § 144 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 626
Verfahrensgang
SG Oldenburg (Urteil vom 01.02.2002; Aktenzeichen S 4 AL 216/00) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden dasUrteil des Sozialgerichts Oldenburg vom1. Februar 2002 sowie der Bescheid der Beklagten vom 21. März 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ab 14. Januar 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist eine Versagung von Arbeitslosengeld (Alg) wegen Eintritts einer 12-wöchigen Sperrzeit streitig.
Der am 27. Juni 1941 geborene Kläger war seit 1992 bei der Firma G., H., als Kraftfahrer beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte am 11. Januar 2000 das Arbeitsverhältnis fristlos, nachdem der Kläger am 9. Januar 2000 anlässlich einer außerdienstlichen Fahrt mit seinem Privat-Pkw im stark alkoholisierten Zustand der Polizei aufgefallen war und ihm deshalb die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen wurde. Nach einer inzwischen rechtskräftigen Verurteilung wurde gegen den Kläger wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr eine Geldstrafe verhängt und ihm der Führerschein entzogen, wobei eine neue Fahrerlaubnis nicht vor Ablauf von 9 Monaten erteilt werden durfte.
Am 14. Januar 2000 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 21. März 2000 den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit vom 11. Januar bis zum 3. April 2000 sowie eine Anspruchsminderung um 240 Tage fest, weil der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten seinen Führerschein und somit seine Beschäftigung als Kraftfahrer verloren habe. Alg zahlte die Beklagte erst ab 4. April 2000 in Höhe von 347,20 DM wöchentlich für eine Anspruchsdauer von 720 Tagen (Bewilligungsbescheid vom 23.03.2000).
Den gegen den Sperrzeitbescheid gerichteten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 18. April 2000, zugegangen am 25. April 2000, als unbegründet zurück.
Mit der am 25. Mai 2000 erhobenen Klage machte der Kläger geltend, es läge kein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen vor, weil der Führerschein wegen einer außerdienstlichen Verfehlung entzogen worden sei. Ihn treffe ferner kein Verschulden an der herbeigeführten Arbeitslosigkeit, weil er sich zur Tatzeit in einem Zustand einer Alkoholintoxikation befunden habe und ihm deshalb nicht bewusst gewesen sei, durch die Teilnahme am Straßenverkehr neben dem Verlust der Fahrerlaubnis auch seinen Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen. Er habe am Abend des 8. Januar 2000 (Samstag) zu Hause erhebliche Mengen Alkohol zu sich genommen. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht die Absicht gehabt, ein Fahrzeug zu führen. Am Sonntagmorgen habe seine Schwester angerufen und ihn dringend gebeten, sie zu besuchen. Er habe noch so sehr unter Alkoholeinfluss gestanden, dass er nicht gewusst habe, was er tue. Als er am 9. Januar 2000 um 12.40 Uhr von der Polizei angehalten worden sei, habe sein Blut noch einen Alkoholmittelwert von 2,95 ‰ ausgewiesen und sei im strafrechtlichen Sinne praktisch schuldunfähig gewesen.
Mit Urteil vom 1. Februar 2002 hat das Sozialgericht (SG) Oldenburg die Klage abgewiesen. Das SG hat ausgeführt, eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe sei eingetreten, weil das vom Arbeitnehmer zu vertretende Unvermögen, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen, nach Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) als vertragswidriges Verhalten im Sinne des §§ 144 Abs 1 Nr 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu werten sei. Der in der Kommentarliteratur teilweise vertretenen Gegenmeinung sei nicht zu folgen, weil das arbeitsvertragswidrige Verhalten des Klägers nicht im Verlust der Fahrerlaubnis zu sehen sei, sondern darin, dass er sich im Zustand erheblicher Alkoholintoxikation zum Führen eines Kraftfahrzeugs entschlossen und diesen Entschluss auch ausgeführt habe. Eine besondere Härte für die Halbierung der Sperrzeit sei nicht festzustellen, weil der Eintritt einer Sperrzeit keinen Strafcharakter habe, so dass die strafrechtlichen Folgen der Trunkenheitsfahrt unberücksichtigt bleiben müssten.
Mit der am 21. Februar 2002 eingelegten Berufung wiederholt der Kläger das erstinstanzliche Vorbringen und regt die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Frage an, ob er sich am 9. Januar 2000 im Zustand der Schuldunfähigkeit ...