Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers. Gewährung von Unterkunftsleistungen. rückwirkende Rentenbewilligung bzw -nachzahlung. Erfüllungswirkung. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Hat der nachrangig verpflichtete Leistungsträger Unterkunftsleistungen gem § 22 SGB 2 erbracht, bewirken diese grundsätzlich nur insoweit eine Erfüllung nachträglich zuerkannter vorrangiger Sozialleistungen nach Maßgabe des § 107 SGB 10, wie bei rechtzeitiger Gewährung dieser vorrangigen Leistungen keine entsprechenden Unterkunftsleistungen, und zwar auch nicht in Form der in den Leistungen nach § 22 SGB 2 der Sache nach inkludierten Wohngeldleistungen, zu erbringen gewesen wären.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hildesheim vom 14. Juni 2013 (S 30 R 381/11) und vom 3. Januar 2014 (S 4 R 360/13) und der Bescheid der Beklagten vom 28. September 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2015 geändert und die Beklagte verpflichtet, über den insoweit mit Bescheid vom 28. September 2010 bereits zuerkannten Betrag von 29.741,83 € hinaus weitere 6.574,99 € an den Kläger persönlich zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Verrechnung seiner Rentennachzahlung in Höhe von 48.642,34 € mit Erstattungsansprüchen des Beigeladenen in Höhe von 18.685,05 €.
Der am 16. Oktober 1954 geborene Kläger bezog von dem Beigeladenen bzw. dessen Rechtsvorgängerin, der Arbeitsgemeinschaft zur Arbeitsvermittlung (AzA) I., vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2010 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Aufgrund eines Anerkenntnisses der Beklagten vom 20. August 2010 im sozialgerichtlichen Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim (S 14 R 238/08) bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 14. September 2010 rückwirkend ab dem 1. Januar 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zugleich teilte sie dem Kläger mit, dass die Nachzahlung für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2010 insgesamt 48.642,34 € betrage. Die Nachzahlung werde vorläufig nicht ausgezahlt, weil zunächst die Ansprüche anderer Stellen zu klären seien. Eine Abrechnung erfolge, sobald die Höhe der Ansprüche bekannt sei. Gegen den Rentenbescheid erhob der Kläger am 23. September 2010 Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass die Rente ab 1. Januar 2005 höher sein müsse.
Mit zwei Schreiben vom 20. September 2010 machte der Beigeladene Erstattungsansprüche für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2010 in Höhe von 12.242,48 € sowie 6.442,57 € (insgesamt 18.685,05 €) zuzüglich von Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 104 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II bei der Beklagten geltend. Daraufhin nahm die Beklagte mit Schreiben vom 28. September 2010 eine Abrechnung der Rentennachzahlung vor und teilte dem Kläger mit, dass sie zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2010 an den Beigeladenen 18.685,05 € überwiesen und zudem zu Unrecht gezahltes Übergangsgeld für die Zeit vom 7. September 2004 bis 13. September 2004 in Höhe von 215,46 € verrechnet habe. Den danach verbleibenden Rentennachzahlungsbetrag in Höhe von 29.741,83 € überwies sie an den Kläger. Mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 erklärte sich der Kläger mit der Abrechnung der Rentennachzahlung vom 28. September 2010 durch den Einbehalt des Betrages in Höhe von 215,46 € nicht einverstanden und forderte die Auszahlung dieses Betrages. Mit weiterem Schreiben vom 2. Oktober 2010 ersuchte der Kläger erneut um eine Korrektur der Abrechnung und wendet sich gegen den Erstattungsanspruch des Beigeladenen. Zur Begründung führte er aus, dass der Betrag von 18.685,05 € einen Zuschlag gemäß § 24 SGB II (nach Alg I-Bezug) beinhalte. Erstattungsfähig seien nur die Grundsicherungsleistungen nach § 19 Abs. 1 SGB II. Mit weiterem Schreiben vom 20. Oktober 2010 erhob der Kläger gegen die Verrechnung ausdrücklich „nochmals Widerspruch“. Mit Schreiben vom 16. und 30. November 2010 wiederholte der Kläger gegenüber der Beklagten seinen Rechtsstandpunkt und legt dar, dass die Erstattungsansprüche der AzA Leistungen wie Zuschläge nach § 24 SGB II enthielte, die nicht erstattungsfähig seien.
Mit Bescheid vom 13. Januar 2005 forderte die Beklagte für die Zeit vom 7. September 2004 bis 13. September 2004 gezahltes Übergangsgeld in Höhe von 215,46 € von dem Kläger zurück. Das anschließende Klage- und Berufungsverfahren hiergegen blieb erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Niedersachsen-Bremen vom 21. Januar 2009 - L 1 R 542/07). Mit Schreiben vom 15. November 2010 hörte die Beklagte den Kläger zur Aufrechnung des Betrags in Höhe von 215,46 € mit der Rentennachzahlung aus dem Rentenbesch...