Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versorgung mit Blindenführhund

 

Orientierungssatz

Zur Versorgung eines blinden und schwerhörigen Versicherten mit einem Blindenführhund.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 20. Januar 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2010 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger im Wege der Sachleistung mit einem Blindenführhund zu versorgen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Blindenführhundes.

Der im Jahre 1967 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er ist rechtsseitig mit einer Augenprothese versorgt, linksseitig bestehen ein chronisches Glaukom, eine Aphakie, eine Opticusatrophie und Netzhautadernarben. Handbewegungen und Lichtschein werden wahrgenommen; darüber hinaus besteht kein Sehvermögen. In jüngerer Zeit ist eine Schwerhörigkeit hinzugetreten; der Kläger ist mit Hörgeräten versorgt.

Am 22. August 2009 beantragte der Kläger über seinen Bevollmächtigten, Herrn G., gegenüber der Beklagten die Gewährung eines Blindenführhundes. Herr H. bezeichnet sich als anerkannten Sachverständigen im deutschen Führhundwesen. Er wies darauf hin, dass der Kläger als Schwerbehinderter ein Recht darauf habe, die Hilfe sehender Handlungsgehilfen in Anspruch zu nehmen sowie ein Recht auf freie Wahl der Schule seines Vertrauens. Herr H. berechne für seine Bemühungen “lediglich 73,00 € je angefangene Arbeitsstunde„. Beigefügt war ein Attest von Herrn/Frau I., augenärztliche Gemeinschaftspraxis J. vom 9. September 2009, wonach aufgrund der starken Sehbehinderung und des stark eingeschränkten Gesichtsfeldes aus augenärztlicher Sicht ein Blindenführhund befürwortet werde. Eine vertragsärztliche Verordnung wurde nicht ausgestellt. Bis dato war der Kläger nicht mit einem Langstock versorgt. Ein Mobilitätstraining wurde nicht absolviert. Zur Orientierung nahm er die Hilfe seiner Frau in Anspruch.

Die Beklagte beauftragte den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der sozialmedizinischen Begutachtung. Dieser forderte zunächst weitere medizinische Informationen an. Hierauf übersandte Herr H. insgesamt vier so bezeichnete ärztliche Indikationen des Augenarztes Dr K. aus L.. Nach dem Inhalt dieser “Indikationen„ werde dem Kläger ein behindertengerechtes Computersystem namens Preußenputer verordnet. Weiterhin bestehe die Notwendigkeit zur Gestellung eines Blindenlangstocks, eines Pfadfinders für Sehgeschädigte und Nichtsehende sowie eines Blindenführhundes. All diese Leistungen sollten durch das Kompetenzzentrum Hilfsmittel des Herrn M. erbracht werden. Ergänzend teilte Herr H. mit, dass die Wohnsituation des Klägers auch die räumlichen Bedingungen für die Haltung eines Blindenführhundes biete. Die Beklagte möge einen vorgefertigten Versorgungsvertrag unterzeichnen. Mit Gutachten vom 22. Dezember 2009 führte der MDK durch Dr N. aus, dass Atteste von zwei unterschiedlichen Augenärzten vorlägen. Eine Diagnose werde nicht genannt. Es würde eine starke Sehbehinderung mit stark eingeschränktem Gesichtsfeld beschrieben, es fehlten aber konkrete Angaben zum Visus/Gesichtsfeld. Aufgrund der spärlichen Datenlage sei eine Versorgung mit einem Blindenführhund nicht zu empfehlen. Bei einer an Blindheit grenzenden Sehschärfenminderung mit Gesichtsfeldeinschränkung sollte vorrangig die selbstständige Mobilität mittels eines Orientierungs- und Mobilitätstrainings am Langstock gefördert werden. Nur für den Fall, dass der Kläger damit nicht ausreichend sicher mobil sei, komme gegebenenfalls die Versorgung mit einem Blindenführhund infrage.

Gegenüber dem Kläger und Dr K. teilte die Beklagte mit, dass bezüglich der eingereichten Bescheinigungen über einen Blindenlangstock, eine EDV-Anlage, einen Pfadfinder für Sehbehinderte und einen Blindenführhund keine ärztlichen Verordnungen vorlägen. Bisher seien nur fachärztliche Indikationen ausgestellt worden, die noch nicht einmal an die Beklagte gerichtet gewesen seien. Dies könne nicht als Antrag anerkannt werden. Gleichwohl habe man zumindest den Blindenführhund auf Kostenübernahmemöglichkeit geprüft. Dr K. führte hierzu mit Schreiben vom 18. Januar 2010 aus, dass er keine Verordnungen ausstellen könne, denn laut Hilfsmittelrichtlinien müsse man ausprobieren, ob der Kläger zurechtkomme. Er habe deshalb eine fachärztliche Indikation ausgestellt.

Mit Bescheid vom 15. Januar 2010 führte die Beklagte aus, dass über eine Versorgung mit einem Blindenführhund erst entschieden werden könne, wenn ein Mobilitäts- und Orientierungstraining abgeschlossen sei. Nach den Ausführungen des MDK sei ein Blindenführhund zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht anzuraten. Vorrangig solle ein Training mit einem Langstock erfolgen. Ein entsprechender Leistungserbringer in örtlicher ...

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