Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Entschädigung für Verdienstausfall als Schöffe beim Landgericht
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Anrechnung einer Verdienstausfallentschädigung als Schöffe nach § 18 JVEG als Einkommen im Sinne des § 11b Abs 2 S 3 SGB II (in den vom 1. Januar 2013 bis zum 1. Juli 2023 geltenden Fassungen vom 21. März 2013, BGBl I, S 556, vom 26. Juli 2016 BGBl I, S 1824, und vom 21. Dezember 2020, BGBl I, S 3096).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Januar 2021 wird zurückgewiesen.
Eine Kostenerstattung im Berufungsverfahren findet nicht statt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende für die Monate September, November 2015 und Juni 2016 sowie ein damit korrespondierendes Erstattungsverlangen des Beklagten in Höhe von insgesamt 791,97 Euro.
Der am G. geborene Kläger ist Dipl. Bauingenieur. Bis zum 6. Juli 2012 bezog er von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld gemäß § 136 Sozialgesetzbuch Drittes Buch- SGB III - (Alg I). Am 4. Juli 2012 hatte er bei dem Beklagten die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beantragt. Im Rahmen der Antragstellung verneinte er die Frage, ob er eine nebenberufliche gemeinnützige oder ehrenamtliche Tätigkeit ausübe, für die (steuerfreie) Aufwandsentschädigungen aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts gezahlt würden (Anlage EK, Blatt 49 der Verwaltungsakten - VA -, Band I). Ebenso verneinte er die Fragen nach dem Bezug von Entgeltersatzleistungen oder nicht regelmäßig erzieltem Einkommen. Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 30. Juli 2012 (vorläufig) Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2012. Auch in der Folgezeit bezog der Kläger Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende von dem Beklagten (vgl. Bewilligungsbescheid vom 11. März 2013 für die Zeit von März bis August 2013; Bewilligungsbescheid vom 6. September 2013 für die Zeit von September 2013 bis Februar 2014; Bewilligungsbescheid vom 21. August 2014 für die Zeit von September 2014 bis August 2015). Im Rahmen der diesen Bewilligungsbescheiden zugrundeliegenden Weiterbewilligungsanträge hatte der Kläger angegeben, dass keine Änderungen eingetreten seien. In den folgenden Weiterbewilligungsanträgen vom 30. Juli 2015 und 1. Februar 2016 waren die vorgegebenen Ankreuzfelder weitestgehend nicht ausgefüllt. Auf den Formularblättern war jedoch - teilweise mehrfach - handschriftlich eingetragen: „Alles wie bisher!“ bzw. „keine Änderungen“. Auf der Grundlage der zuletzt genannten Weiterbewilligungsanträge gewährte der Beklagte Leistungen mit Bescheid vom 3. August 2015 für die Zeit von September 2015 bis Februar 2016 (Regelbedarf 399,00 Euro, Mehrbedarf für die dezentrale Warmwasserbereitung 9,18 Euro, KdU 445,79 Euro) und mit Bescheid vom 2. Februar 2016 für die Zeit von März 2016 bis Februar 2017 (Regelbedarf 404,00 Euro, Mehrbedarf für die dezentrale Bereitung von Warmwasser 9,29 Euro, KdU 445,79 Euro; vgl. Blatt 138 VA Bd. I, Bl. 145 VA Bd. II).
Tatsächlich hatte der Kläger jedoch bereits seit dem 1. Januar 2014 eine Tätigkeit als Schöffe beim Landgericht H. ausgeübt. Für diese Tätigkeit hatte er seit 2014 neben dem Ersatz von Fahrtkosten nach § 5 Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG)und der Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 16 JVEG in der Zeit vom 7. August 2014 bis zum 10. Januar 2018 Verdienstausfallsentschädigungen nach § 18 JVEG bezogen (vgl. dazu die tabellarische Aufstellung des Landgerichts H. vom 29. Mai 2018 sowie die Mitteilung der Staatsanwaltschaft H. vom 9. September 2018 VA e I - Ausdruck der elektronischen VA I - ohne Blattzahl). Ausweislich der tabellarischen Aufstellung des Landgerichts H. belief sich die Entschädigung für Verdienstausfall in der Zeit von September bis November 2015 auf insgesamt 1.548,32 Euro und im Jahr 2016 auf insgesamt 1.219,57 Euro. Die Berechnung des Verdienstausfalls beruhte auf eigenen Angaben des Klägers. Dieser hatte auf einem Fragebogen betreffend die Entschädigung von Schöffen gegenüber dem Landgericht H. angegeben, den Beruf eines Bauingenieurs und Energieberaters selbstständig auszuüben, ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 3.500,00 Euro zu erzielen und eine tägliche Arbeitszeit von 9 -18 Uhr zu haben. Es findet sich dort auch folgende handschriftliche Ergänzung: „Mo-Fr. 7,5 h/Tag = 21,21 €/h“. Der Fragebogen trägt das Datum vom 7. August 2014 sowie die Unterschrift des Klägers (vgl. VA e I ohne Blattzahl). Nach Auskunft des Landgerichts H. wird der Fragebogen einmalig zu Beginn der Schöffenperiode ausgefüllt. Von den zu Schöffen berufenen Personen werde lediglich im Fall einer Änderung eine Mitteilung gemacht. Eine solche sei im Falle des Klägers bis zum 5. Dezember 2018 nicht erfolgt...