Rechtskraft: nein

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Hilfsmittel. Gebrauchsgegenstand. Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Notebook. Rechtschreibstörung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein handelsübliches Notebook ist auch dann ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, wenn es dem Ausgleich der Rechtschreibstörung eines schulpflichtigen Kindes dient.

 

Normenkette

SGB V § 33 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

SG Lüneburg (Entscheidung vom 27.06.2001; Aktenzeichen S 9 KR 139/00)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten wegen der Kostenübernahme für ein Notebook nebst Zubehör. Das Notebook inklusive Maus und Scanner sind inzwischen erworben worden, so dass Kostenerstattung in Höhe von 3.155,18 Euro begehrt wird.

Der 1988 geborene und bei der Beklagten familienversicherte Kläger leidet unter einer visuomotorischen Perzeptionsstörung mit ausgeprägter Dysgraphie/Dyspraxie sowie sekundär unter schreibmotorisch bedingter Rechtschreibstörung (vgl. Arztbrief des Dr E., Facharzt für Kinderheilkunde, vom 4. Februar 2000).

Die Eltern des Klägers beantragten im März 2000 bei der Beklagten unter Vorlage eines „sonderpädagogischen Beratungsgutachtens” der Bezirksregierung Lüneburg – Mobiler Dienst für Körperbehinderte und Sehbehinderte – vom 26. Januar 2000, zwei Arztbriefen des Dr E. vom 4. Februar 2000 und vom 22. Mai 1998 sowie von einer Schriftprobe und zwei Diktaten ihres Sohnes die Kostenübernahme für die Unterstützung durch ein „Schreib- und Lernsystem in allen Fächern” (vgl. Beratungsgutachten der Bezirksregierung) in Form eines Notebooks mit Zubehör (Schreib- und Lernprogramme der einzelnen Fächer, sowie Drucker und Scanner).

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Kostenübernahme für ein Notebook mit Zubehör mit Bescheid vom 4. April 2000 ab. Zur Begründung führte sie an, dass der Computer, auch wenn er aufgrund einer bestehenden Behinderung eingesetzt werden soll, nicht zum Hilfsmittel im krankenversicherungsrechtlichen Sinne zähle, sondern vielmehr wegen seiner vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten zu den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehöre. Auch die Tatsache, dass die Eltern des Klägers bereits einen PC im Hause hätten und das hier beantragte Notebook eine zusätzliche Anschaffung für die Schule sei ändere nichts an diesen Umständen. Gegen den ablehnenden Bescheid legte der Vater des Klägers am 18. April 2000 Widerspruch ein. Er führte an, dass sich sein Sohn bis zum 7. Lebensjahr in Behandlung (Bobath) befunden habe und auch von verschiedener Seite untersucht worden sei. Er gehe davon aus, dass es sich in seinem Fall bei einem Notebook nicht um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand, sondern um ein Hilfsmittel handele. Dies sei für seinen Sohn erforderlich, um es ihm zu ermöglichen, im Schulunterricht mitzukommen. Der Vater des Klägers überreichte weitere Schriftproben seines Sohnes aus dem Schulheft. Sein Sohn habe große Probleme, die schriftlichen Anforderungen im Unterricht zu bewältigen. Der zunehmende Zeit- und Leistungsdruck belaste ihn sehr. Er habe auch schon Ängste geäußert. Da die Zeit in der Orientierungsstufe eine sehr kurze und wichtige Zeit sei, bitte er um eine erneute Prüfung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2000 zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach die gesetzliche Krankenversicherung nur solche Mittel zu bewilligen habe, die bestimmungsgemäß der Heilung bzw Linderung von Krankheiten sowie dem Ausgleich von Behinderungen und der Milderung der Folgen dieser Zustände dienten. Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens erfüllten nach dieser Rechtsprechung diese Zwecksetzung nicht und fielen daher nicht in die Leistungspflicht der Krankenkassen. Das BSG habe in seinem Urteil vom 23. August 1995 – 3 RK 17/95 – festgestellt, dass ein PC einschließlich der erforderlichen Zubehörteile (zB: Bildschirm, Maus, Tastatur usw) zu den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehöre. Diese Rechtsprechung habe das BSG in einem weiteren Urteil bestätigt. Bei dem beantragten Notebook handele es sich um ein handelsübliches Standardgerät ohne behindertengerechte Sonderausstattung. Von daher müsse eine Kostenübernahme unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG ausscheiden.

Hiergegen hat der Kläger am 8. September 2000 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhoben. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger ua ausgeführt: Er bezweifle, dass es sich bei einem Notebook um einen allgemeinen Gebrauchsgegenstand handele, der üblicherweise heutzutage in allen Haushalten geführt werde. Das hier in Rede stehende Notebook mit entsprechender Software, Drucker und Scanner sei auch ganz speziell auf den Kläger zugeschnitten. Der Kläger werde durch den Mobilen Dienst für Körperbehinderte und Sehbehinderte im Auftrag der Bezirksregierung Lüneburg betreut. Insoweit sei auf das sonderpädagogische Beratungsgutachten der B...

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